Alba Berlin besiegt auch die Nebengeräusche

Nach den ersten 40 Minuten dieser Finalserie um die deutsche Meisterschaft waren sich die Beteiligten in einer wichtigen Frage sehr uneins. Alba Berlin hatte sich am Freitagabend in eigener Halle nach einer starken Schlussphase mit 86:73 durchgesetzt, doch lag die Dominanz des Titelverteidigers im letzten Viertel nun an den nachlassenden Kräften der Spieler von Bayern München nach der anstrengenden Serie gegen Bonn? „Wir haben 48 Stunden zuvor gespielt, uns ist die Energie ausgegangen, erst physisch, dann mental“, sagte Münchens Trainer Andrea Trinchieri. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass das eine Rolle gespielt hat“, entgegnete Bayerns bester Werfer Andreas Obst. „Wir hatten diesen Rhythmus über die gesamte Saison und müssen am Ende einfach smarter sein.“

Auch bei Alba gingen die Meinungen in dieser Angelegenheit leicht auseinander. Während Manager Marco Baldi das höhere Berliner Tempo in den letzten Minuten vor allem Albas deutlich leichtfüßigerem Spielstil zuschrieb, sah Louis Olinde durchaus physische Vorteile bei seinem Team. „Natürlich steckt das denen noch ein bisschen in den Beinen“, sagte der Flügelspieler. Allerdings erkannte er darin nicht den entscheidenden Faktor, denn „in den Finals ist der Wille noch wichtiger“.

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Wie schon im Halbfinale gegen Ludwigsburg zeigte Alba gegen den großen Rivalen eine beeindruckende Reife. Spielerisch lief es lange ganz und gar nicht ideal für die Berliner. Die in den vergangenen Monaten so dominanten Guards Maodo Lo und Jaleen Smith fanden gegen die gut eingestellte Verteidigung der Münchner nicht ihren Rhythmus, das Tempo fehlte und nur die gute Dreierquote hielt Albas Offensive anfangs am Laufen. „Das Schwierigste gegen die Bayern ist, dein Spiel durchzuziehen“, sagte Baldi.

Lange Zeit sah es eher nach Bayern-Basketball aus: langsam, physisch, kampfbetont. Im dritten Viertel kamen dann die üblichen Scharmützel dazu. Trinchieri bekam ein technisches Foul wegen Meckerns, Vladimir Lucic warf sich theatralisch zu Boden und hielt sich das Gesicht, obwohl er auf Höhe der Brust getroffen wurde, das Publikum regte sich über einige umstrittene Pfiffe auf. „München ist das abgezockteste Team“, sagte Baldi. „Einer fällt um, einer bindet sich den Schuh, der Trainer beschwert sich. Es ist immer irgendwas, und das nimmt dir den Rhythmus.“

„Da sehe ich kein ,Mia san mia’“

Trinchieri hatte schon vor dem Auftakt der Finalserie mit den kleinen Psychospielchen begonnen und Alba die Favoritenrolle zugeschoben – wie schon im Halbfinale gegen Bonn. Baldi hält nicht viel von solchen Diskussionen. „Diese ganzen Nebengeräusche sind völlig unwichtig“, sagte der Berliner Manager. „Wenn ich Bayern wäre und ich würde Bonn vor so einer Serie zum Favoriten machen: Da sehe ich kein ,Mia san mia’.“

In der Vergangenheit hat sich Alba von der hitzigen Atmosphäre und dem umkämpften Spielverlauf in einer solchen Finalserie teilweise aus dem Konzept bringen lassen, insbesondere gegen die Bayern, die sechs der sieben Play-off-Serien zwischen den beiden deutschen Euroleague-Teilnehmern für sich entscheiden konnten. Doch aktuell ist das Selbstvertrauen der Berliner nach nun 18 Siegen in Folge so groß und das Team so eingespielt, dass selbst solche Widerstände überwunden werden.

Albas Vielseitigkeit ist der Schlüssel

Einer der Schlüssel war dabei am Freitag neben den Vorteilen beim Rebounding auch Albas deutlich größere Vielseitigkeit. Am 11:0-Lauf, der das Spiel im Schlussviertel drehte, waren bei den Berlinern Tamir Blatt, Malte Delow, Louis Olinde, Johannes Thiemann, Christ Koumadje und kurzzeitig Oscar da Silva beteiligt. Kapitän Luke Sikma jubelte ihnen ebenso von der Bank zu wie die Führungsspieler Lo und Smith. Während Trinchieri in den entscheidenden Phasen ausschließlich seinen Routiniers vertraut, involviert Albas Trainer Israel Gonzalez den gesamten Kader. „Wir sind sehr ausgeglichen als Team“, sagte Thiemann. „Wir schaffen es immer wieder, die Spiele, in denen der eine oder andere nicht so funktioniert, trotzdem zu gewinnen.“

Zum zweiten Spiel am Dienstag (19 Uhr, Magentasport) reist Alba nun mit einem 1:0-Vorsprung nach München. Einen psychologischen Vorteil erwarten die Berliner nach dem Auftaktsieg allerdings nicht. Der Druck liegt in der Rudi-Sedlmayer-Halle zwar eindeutig bei den Bayern, insbesondere in der Euroleague gegen Barcelona haben sie aber eindrucksvoll bewiesen, dass sie diesem standhalten können. „Sie waren schon oft in sehr schwierigen Situationen und haben die Erfahrung, um sie zu lösen“, sagte Gonzalez.

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Baldi rechnet mit einer sehr hitzigen Atmosphäre. „München weiß, wie man die Zuschauer ins Spiel holt, wie man auf allen Ebenen einen kleinen Vorteil bekommt.“ Die Berliner haben Respekt, doch Angst haben sie vor der ungastlichen Stimmung und dem angestachelten Gegner nicht. „Es steht nur 1:0 und es liegt noch viel Arbeit vor uns“, sagte Albas Topscorer Yovel Zoosman. „Uns fehlen noch zwei Siege und wir sind bereit.“

Das wird aller Voraussicht nach auch für die Münchner gelten, denn Trinchieri machte schon am Freitagabend klar, was er von seiner Mannschaft sehen will. „Ich erwarte die Reaktion einer Mannschaft, die einen Tritt in den Hintern bekommen hat. Wir müssen auf dem Feld antworten.“