Helen Mirren, Pierce Brosnan, Ben Kingsley: Bei Netflix schlagen die Senioren zurück

Dieses Altenheim verdient wahrlich den Namen Residenz. Denn Coopers Chase, ein ehemaliges englisches Kloster, erinnert eher an einen royalen Stammsitz. Die offenbar wohlhabenden Bewohner leben in großzügigen Wohnungen und vertreiben sich die Zeit unter anderem mit Bogenschießen. Und neben Lamas als Begleittiere für die Gebrechlicheren unter ihnen gibt es sogar einen eigenen Raum nur zum Puzzeln – außer donnerstags, denn dann tagt hier „The Thursday Murder Club“.

So außergewöhnlich wie diese Senioren-Residenz ist die Besetzung des gleichnamigen Netflix-Films (Start 28. August). Als heimliche Vorsitzende der Hobby-Detektive fungiert eine vor Vitalität strotzende Helen Mirren. Als Elizabeth Best – ihre ehemalige berufliche Tätigkeit gibt sie nebulös mit „internationale Angelegenheiten“ an – kümmert sie sich um ihren zunehmend dementen Ehemann Stephen (nicht nur mit Jonathan Pryce sind selbst die Nebenrollen exzellent besetzt). Wenn sie nicht ihrem Hobby nachgeht.

Im Ruhestand, aber extrem gefährlich

Elizabeth sowie der ehemalige Gewerkschaftsführer und Ex-Boxer Ron Ritchie (der ehemalige Bond-Darsteller Pierce Brosnan hat nichts an Schlagkraft eingebüßt) und der pensionierte Psychiater Ibrahim Arif (Ben Kingsley scheint seit „Gandhi“ kaum gealtert zu sein) haben es sich zur Aufgabe gemacht, Cold Cases der hiesigen Polizei zu lösen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Regisseur Chris Columbus („Kevin allein zu Haus“, „Harry Potter“, „Mrs. Doubtfire“) greift mit dem „Thursday Murder Club“ ein bewährtes Thema auf. Nicht zuletzt in der Agentenkomödie „R.E.D.“ und deren Fortsetzung haben sich Helen Mirren, Bruce Willis und John Malkovich als in die Jahre gekommene Ex-Spione erfolgreich gegen jüngere Gegner durchgesetzt. „R.E.D.“ stand übrigens für „retired and extremly dangerous“ – was genauso auf den „Murder Club“ zutrifft.

Und obwohl Helen Mirren, Pierce Brosnan und Ben Kingsley nicht direkt zur Boomer-Generation gehören, sagt der zweistündige Film dennoch unüberhörbar: „Wir wissen noch immer, wo der Hammer hängt“. „Hammer“ ist übrigens der Boxer-Name vor Rons Sohn Jason (Tom Ellis).

Als klassischer Whodunit-Krimi, der viel Wert auf liebevoll arrangierte Details legt, befindet sich der „Thursday Murder Club“ zugleich in bester Agatha-Christie-Tradition. „Ich habe mich in dieses Konzept verliebt. Es ist wunderbar makaber, urkomisch und hat große emotionale Tiefe“, sagt der Regisseur zur Film-Umsetzung von Richard Osmans erstem Roman aus der „Thursday Murder Club“-Reihe.

Mit 15 Millionen verkauften Exemplaren ist es in Großbritannien zudem das meistverkaufte Buch des Jahrzehnts. Im Herbst kommt der fünfte Band heraus. Inspiriert wurde Osman von seiner Mutter und ihren Freundinnen mit ihrem immensen Schatz an Erfahrung und Erzählungen. „Der Kriminalfall ist die Basis, aber nicht das Wesentliche. Das sind die Figuren und ihre Menschlichkeit“, sagt Helen Mirren mit Blick auf die ernsteren Themen von Buch, Film und Leben.

Der Kriminalfall ist die Basis, aber nicht das Wesentliche. Das sind die Figuren und ihre Menschlichkeit.

Helen Mirren über „The Thursday Murder Club“.

Zu Beginn beschäftigt sich der Club mit dem 50 Jahre alten Cold Case einer zuerst erstochenen und anschließend aus dem Fenster geworfenen jungen Frau. Um zu klären, ob der Ehemann seinerzeit tatsächlich so unschuldig war, wie die Polizei annahm, holen sie zusätzliche medizinische Expertise in Gestalt von Mitbewohnerin Joyce Meadowcroft (Celia Imrie) in den Club. Die ehemalige Krankenschwester lebt erst seit kurzem auf Coopers Chase, ist aber bei weitem nicht so unbedarft, wie Elizabeth zuerst denkt.

Aus dem Trio wird ein Quartett: Zu Mirren, Kingsley und Brosnan gesellt sich Celia Imrie als Mitbewohnerin Joyce Meadowcroft.

© Netflix

Zum Glück: Denn so harmlos wie die anfänglichen Freizeit-Ermittlungen bleibt es freilich nicht. „Es gibt einen Mord, einen richtigen Mord“, freut sich Joyce, als einer der Besitzer der Luxus-Residenz ermordet wird.

Der Club interessiert sich sehr für diesen heißen Fall. Denn gerade erst am Vortag haben die Senioren einen Streit zwischen dem Ermordeten Tony Curran (Geoff Bell) und seinem Kompagnon Ian Ventham (David Tennant) miterlebt.

Netflix hat es auf eine Fortsetzung abgesehen

Tony wollte verhindern, dass Ian das Ex-Kloster mitsamt dem ehemaligen Friedhof abreißt und einebnet, um auf dem Land noch teurere Luxus-Wohnungen zu bauen. Ein weiterer Grund also für den Club, tätig zu werden. Was Ian – „Das ist ja wie bei ,The Walking Dead’“ – gar nicht gefällt. Mit der jungen Polizistin Donna De Freitas (Naomi Ackie) haben die Senioren indes eine direkte Verbindung zur örtlichen Polizei.

Bleibt die Frage, ob man als Zuschauer dem Club beitreten sollte? Zwischenzeitlich gleitet „Thursday Murder Club“ arg ins Komödiantische ab, kriegt aber die Kurve. Was auch gut ist, denn Netflix hat es spürbar auf eine Fortsetzung abgesehen. Dem Streaming-Abonnenten kann es nur recht sein, denn obwohl der Fall zwar komplex, aber nicht besonders spektakulär ist, wird dennoch Krimi-Unterhaltung auf hohem Niveau und mit allerbester Besetzung geboten.