Vereinstreu und verlässlich: Tony Jantschke beendet nach 16 Jahren seine Karriere

Als sein Spieler Christoph Kramer im Mai 2014, kurz vor der Weltmeisterschaft in Brasilien, erstmals in die deutsche Fußball-Nationalmannschaft berufen wurde, da hat Lucien Favre so reagiert, wie man es von Lucien Favre fast hätte erwarten können. Vollkommen unerwartet nämlich.

Der Legende nach hat der Trainer von Borussia Mönchengladbach die überraschende Nachricht von Kramers Nominierung ohne große Regung zur Kenntnis genommen. Er soll lediglich gefragt haben: „Und was ist mit Jantschke?“

Nix war mit Jantschke, Vorname Tony. Borussias Rechtsverteidiger war vom damaligen Bundestrainer Joachim Löw nicht berücksichtigt worden. Anders als sein Kollege Kramer, flog er später auch nicht mit nach Brasilien, um dort Weltmeister zu werden.

So nah wie vor zehn Jahren ist Tony Jantschke der Nationalmannschaft nie mehr gekommen. Löw hatte den Gladbacher im Anlauf auf die WM tatsächlich im Blick gehabt und ihn noch einmal eingehend begutachten lassen. Am Ende aber wurde es nichts mit der Nominierung, nicht bei der WM 2014 und auch danach nicht mehr.

Gladbachs Fans feiern ihn als Fußballgott

Die Nationalmannschaft? „Dafür war ich wahrscheinlich nicht gut genug“, hat Jantschke selbst dieser Tage in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ gesagt.

Die gesunde Einschätzung der eigenen Fähigkeiten hat ihn immer ausgezeichnet – sowohl auf als auch neben dem Platz. Sie hat Jantschke, auch ohne die Krönung in Form von Titeln, eine durchaus stattliche Karriere beschert, die an diesem Wochenende, mit dem Auswärtsspiel der Gladbacher beim VfB Stuttgart, offiziell zu Ende gehen wird.

Gut möglich, dass der 34-Jährige dann noch einmal zum Einsatz kommt und sein 303. Pflichtspiel für Borussia Mönchengladbach bestreitet. Den großen und emotionalen Abschied aber hat Jantschke schon vor einer Woche gefeiert – im eigenen Stadion gegen Eintracht Frankfurt, als er fünf Minuten vor dem Ende und nach fünfwöchiger Verletzungspause für den angeschlagenen Nico Elvedi aufs Feld musste.

Tony Jantschke beendet seine Karriere als Rekordhalter. In den fünf europäischen Top-Ligen gibt es aktuell keinen Spieler, der länger als Profi bei ein und demselben Verein unter Vertrag steht. Thomas Müller vom FC Bayern kommt ebenfalls auf 16 Jahre, in der neuen Saison wird der Münchner dann die alleinige Nummer eins in Sachen Vereinstreue sein.

Jantschke, gebürtig aus Hoyerswerda, ist im WM-Sommer 2006 an den Niederrhein gekommen. Vom FV Dresden-Nord wechselte er damals in die U 17 der Gladbacher, bezog ein Zimmer im Internat des Vereins, das damals noch im Stadion untergebracht war. Zwei Jahre später wurde Jantschke Profi.

Kinder, wie die Zeit vergeht. Unter Trainer Hans Meyer feierte Jantschke im November 2008 als 18-Jähriger sein Bundesligadebüt für Borussia Mönchengladbach.

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Bei seinem Debüt in der Bundesliga, Ende November 2008 bei einer 1:3-Niederlage gegen Energie Cottbus, wurde Borussia Mönchengladbach von Hans Meyer trainiert, Jantschkes sächsischer Landsmann Michael Ballack war Kapitän der deutschen Nationalmannschaft und der SSV Markkranstädt ein unbescholtener Oberligist aus der Leipziger Tieflandsbucht.

Jantschke hat im defensiven Mittelfeld angefangen, später als rechter Außenverteidiger gespielt und zuletzt vor allem in der Innenverteidigung. Er hat es – ohne den Verein zu wechseln – aus dem Abstiegskampf bis in die Champions League geschafft (und zuletzt auch wieder zurück). Und auch wenn Jantschke gegen Ende seiner Karriere immer weniger und immer kürzer gespielt hat: Für die Kabine war er weiterhin wichtig.

Als großer Freund des US-Sports hat sich Jantschke immer wieder lobend über den Basketballer Dirk Nowitzki ausgelassen, der seinem Klub, den Dallas Mavericks, Zeit seiner Karriere treu geblieben ist. „Nowitzki hätte es mit seinem Talent und seiner Arbeitseinstellung überall zu Erfolg gebracht“, hat er einmal im Interview mit „T-online“ gesagt. „Aber Dallas brauchte ihn, und das wusste er zu schätzen.“

Bei Jantschke war die Arbeitseinstellung letztlich größer als das Talent. Aber gerade deshalb steht er sinnbildlich für einen Typ Fußballer: den unbesungenen Helden, der selten auffällt und es auch nicht darauf anlegt zu glänzen – und ohne den es in einer Mannschaftssportart wie dem Fußball trotzdem nicht geht.

Tony Jantschke wird von Borussias Fans schon lange als Fußballgott gefeiert. Richtig geheuer war es ihm nie, im Mittelpunkt zu stehen. Er wollte einfach nur seinen Job erledigen. Das wird er auch künftig tun. Als Trainer. Und natürlich bei Borussia Mönchengladbach.