Erfolg beim Transat CIC: Boris Herrmann wird sensationell Zweiter
Die Sensation beim Transat CIC bante sich zwei Tage vorher an. Boris Herrmann war bei dem Rennen von Lorient nach New York auf Rang zwei vorgerückt und durfte durchaus hoffen, vielleicht sogar zu gewinnen. Seit er vor 14 Jahren seinen Fuß auf einen 60-Fuß-Racer setzte, hat er sich viel Anerkennung erworben. Doch aufs Podium schaffte er es als Solosegler nie. Immer dicht dran, verfehlte er die Genugtuung, zu den Besten seiner Zunft zu gehören, dann doch meistens knapp.
Diesmal nicht. Als Yoann Richomme (Arkea-Paprec) am Montagabend die Ziellienie überquerte, lag der deutsche Segelstar mit seiner Malizia-Seaexplorer nur 20 Meilen hinter ihm und wurde am Ende Zweiter. Zwar kein Sieg, aber das bisher beste sportliche Ergebnis des 42-jährigen Hamburgers. Und das bei einem traditionsreichen Rennen, das die Anfänge des professionellen Solosegelns markiert.
Immer gegenan, die harte Tour
Vergessen Sie den kruden Titel. Früher war es auch als das „englische Transat“ oder schlicht „das Transat“ bekannt. Während die Franzosen es später vorziehen sollten, ihre Regattarouten in tropische Überseegebiete führen zu lassen, bevorzugten die Engländer 1960 die harte Tour. Ein kleines Grüppchen aus Pionieren des Solosegelns wollte gegen die vorherrschenden Winde und den Golfstrom über den Nordatlantik nach New York segeln. Da zunächst kein Sponsor gefunden wurde, vereinbarten der spätere Sieger Sir Francis Chichester und der Initiator Blondie Hasler, dass jeder Teilnehmer als Einsatz eine halbe Krone in den Topf werfen solle – der Gewinner bekäme alles. Es fand sich dann mit dem „Observer“ doch noch ein Geldgeber, aber der Geist des Rennens war geboren.
Als Eric Tabarly 1964 das 2. Ostar-Race gewann, erweckte sein Triumph die französische Offshore-Szene zum Leben. 1972 sollte Alain Colais auf einem Boot Tabarlys ebenfalls siegreich sein und dem Nimbus eines „englischen“ Rennens empfindlichen Schaden zufügen.
So viel zur Geschichte dieses transatlantischen Klassikers, der 2017 unter dramatischen Umständen zum vorerst letzten Mal stattgefunden hat. Ein Sturm hatte die Flotte aus 21 Booten so sehr zerrupft, dass nur sieben das Ziel in New York erreichten. Im selben Jahr begann Boris Herrmann auf seiner Malizia, sich auf sein erstes Vendée Globe vorzubereiten. Mit seinem 5. Platz sorgte er für großes Aufsehen und segelte sich in die Herzen nicht nur der deutschen Öffentlichkeit.
Nur wenige Skipper der Imoca-Szene haben seither so konstant viel gesegelt wie Herrmann, der sich gleich nach dem Vendée Globe ein neues Boot nach seinen Vorstellungen hatte bauen lassen. Dass die von VPLP gezeichnete Malizia II schnell sein kann, bewies das Team beim Ocean Race, bei dem es mehrere Etappensiege holte, Geschwindigkeitsrekorde brach und insbesondere in rauen Bedingungen hohe Durchschnittsgeschwindigkeit erzielte. Wenn sich das Boot optisch auch wie ein Orca unter Delphinen ausnimmt, hatte Herrmann es beim Design seines wuchtig Neubaus vor allem auf dessen Robustheit abgesehen.
Vorne dabei, aber nicht ganz vorne
Zuletzt kam Boris Herrmann auf den Rängen sieben und vier ins Ziel, weil die Top Guns der Szene einfach immer eine Spur kompromissloser vorgingen.
So setzten sich nach dem Start am 28. April in Lorient abermals die Favoriten an die Spitze des 33-köpfigen Teilnehmerfeldes: Charlie Dalin (MACIF) führte früh vor Jérémie Beyou (Charal), Paul Meilhat (Biotherme) und Yoann Richomme. Herrmann rutschte in dieser Anfangsphase ohne ersichtlicheren Grund ins Mittelfeld ab als den, dass er sich einfach immer schwer tut, in ein mehrere tausend Meilen Langes Rennen hineinzufinden. Zuerst war der Weg durch die kräftigen Nordwest-Winde eines Island-Tiefs geprägt, dann durch einen Sturm, dessen Zentrum im Süden der Flotte durchwandern würde.
Vier Tage lang hämmerten die Boote durch hohe Seen. Und während etliche Konkurrenten schwere Materialschäden erlitten, war von Herrmann nichts weiter als ein kleiner Riss im Großsegel zu vermelden. Nach anfänglicher Seekrankheit, die ihm die rauen Seegangsbedingungen auferlegten, pflügte die Malizia so verlässlich durchs Meer, dass den Solosegler kaum etwas ernsthaft zu plagen schien. Seine Stunde schlug, als sich eine arktische Kaltluftströmung ziemlich konstant von Norden durchsetzte. Jetzt erwies sich die Malizia als das, was sie in geschickten Händen sein kann: enorm stabil und super schnell.
Nur ein bisschen raue See
Da hatte Yoann Richomme bereits die Führung übernommen, nachdem Charlie Dalin mit technischen Problemen zurückgefallen war. Clarissa Cremer hatte aufgeben müssen, nachdem die Struktur ihres Bootes auseinandergerissen war. Paul Meilhat war nach einer Kollision mit einem treibenden Objekt ausgefallen. Nicolas Lunven (Holcim-PRB) verlor seinen Bugsprit und Justine Mettraux (Teamworx) ihre Windsensoren. Zwei andere Skipper von Neubauten berichteten, dass ihre Boote teilweise unkontrollierbar in die hohe See eintauchten.
Derweil arbeitete sich Herrmann auf Rang zwei vor, als sei das nichts. Nur die Britin Sam Davies (Initiatives Coeur) schien Herrmanns Tempo halbwegs mitgehen zu können. Aber der Abstand von über 40 Meilen war zu groß, um dem Deutschen gefährlich zu werden.
Richommes Sieg verlängert seine Reihe an beeindruckenden Auftritten. Obwohl der 40-jährige Südfranzose erst im letzten Jahr mit großen Vorschusslorbeeren zum Imoca-Skipper wurde, gibt er seinen Fürsprechern Recht. Nach einem 2. Platz beim Transat Jacques Vabre (2023), gewann er das anschließende Retour a la Base.
Mit dem 2. Platz beim Transat CIC zeigt Herrmanns Formkurve deutlich nach oben. Obwohl die Konkurrenz im Favoritenkreis nicht eben kleiner geworden ist, zählt er jetzt dazu. Was ein gutes Zeichen für die Phase des kommenden Vendée Globe ist, in der es jenseits von Kapstadt darum gehen wird, in einer Art Dauersturm tage- und wochenlang bei höchstem Tempo zu bestehen.
Da das Ziel des Transat CIC 110 Meilen vor der US-Küste liegt und die Soloskipper davor bewahren soll, durch ein viel befahrenes Gebiet im Rennmodus zu jagen, wird wohl ein weiterer Tag vergehen, bis Herrmann und Richomme in New York eintreffen. Sie hätten sich verabredet, sagt Herrmann, die Strecke gemeinsam zu segeln und sich abwechselnd Schlafphasen zu gönnen. Dann würde einer auf zwei Boote achtgeben, während der andere ruht.