Von der Dritten Liga in die Nationalelf: Robert Andrich ist mehr als ein Abräumer

Es lief die 68. Spielminute, als Robert Andrich im Zweikampf mit Kylian Mbappé körperlich ein Zeichen setzte. „Wenn ich vielleicht ein bisschen mehr draus mache, dann ist es noch klarer eine Rote. Wenn er die bekommt, habe ich alles richtig gemacht“, sagte Andrich zu der Szene, in der er erst Mbappé foulte und der französische Nationalspieler dann frustriert mit dem Fuß nach Andrich trat.

Der deutsche Nationalspieler scheut eben auch vor einem Weltfußballer wie Mbappé nicht zurück. Und das, obwohl oder gerade weil der 29-Jährige den größten Teil seiner Karriere unterhalb der Ersten Bundesliga verbracht hat.

Andrich, der in Potsdam geboren ist, nahm einen recht ungewöhnlichen Weg bis zum Nationalspieler. Zunächst durchlief er bei Hertha BSC alle Jugendmannschaften, machte also die gewohnten Schritte bis zum Profifußballer.

Weil er damals aber den Sprung in die Bundesliga-Mannschaft nicht schaffte, wechselte er 2015 zum Drittligisten Dynamo Dresden. Mit den Dresdnern schaffte er in der Saison 2015/16 zwar den Wiederaufstieg in die Zweite Bundesliga, hatte daran aufgrund weniger Einsätze aber keinen entscheidenden Anteil.

Deutschlands Robert Andrich (li.) setzte gegen Starspieler Kylian Mbappé ein Zeichen.
Deutschlands Robert Andrich (li.) setzte gegen Starspieler Kylian Mbappé ein Zeichen.

© dpa/Christian Charisius

Es folgte der Wechsel innerhalb der Liga zu Wehen Wiesbaden und 2018 schließlich der Transfer zum Zweitligisten 1. FC Heidenheim. Unter Cheftrainer Frank Schmidt entwickelte sich Andrich fußballerisch schnell weiter und wechselte nach nur einem Jahr zum frisch gebackenen Erstligisten 1. FC Union.

Urs Fischer sah in Andrich einen „Stabilisator“ und „Aggressive Leader“. Eigenschaften, die auch in der Nationalmannschaft oftmals mit ihm in einem Satz genannt werden, obwohl Andrich selbst sagt, dass er als Jugendlicher erst spät gewachsen sei und sich das Körperliche antrainieren musste. In den folgenden Jahren bei Union steigerte sich der Mittelfeldspieler von Saison zu Saison und spätestens seit seinem Wechsel zu Bayer Leverkusen 2021, bewegte sich Andrich im Dunstkreis der Nationalmannschaft.

Andrich gab sein Debüt zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt

Nachdem er nach sehr guten Leistungen in der Bundesliga weder von Joachim Löw noch von Hansi Flick für die Nationalelf berücksichtigt worden war, nominierte ihn der neue Bundestrainer, Julian Nagelsmann, schließlich im Oktober für die USA-Reise. „Es ist tatsächlich seit vier Jahren, in denen ich in der Bundesliga spiele, die schwierigste Phase für mich persönlich“, sagte Andrich damals.

Denn bei Leverkusen kam er zu Beginn nur wenig zum Einsatz, da Trainer Xabi Alonso auf Granit Xhaka und Exequiel Palacios im defensiven Mittelfeld setzte und Leverkusen einen Sieg nach dem anderen holte. Erst als Palacios verletzungsbedingt länger fehlte, kam Andrich regelmäßig zu Spielminuten.

Ich glaube schon, dass es über 90 Minuten dann sehr gut zwischen uns beiden aussah.

Robert Andrich über das Zusammenspiel mit Toni Kroos

Beim DFB-Team hat er mit seinem Debüt gegen Österreich und dem jüngsten Auftritt beim Sieg über Frankreich nun solch einen bleibenden Eindruck hinterlassen, dass an ihm auf der Doppelsechs gerade nur schwer vorbeizukommen ist. Das Zusammenspiel mit Toni Kroos passte von Beginn an. „Die beiden Sechser ergänzen sich sehr gut“, sagte auch Nagelsmann.

Sowohl in Sachen Zweikampfhärte als auch im Aufbauspiel hatte Frankreich nur wenig entgegenzusetzen. Kroos und Andrich waren die beiden Spieler mit den mit Abstand meisten Pässen auf dem Platz (129 und 102) und kamen auf eine Passquote von 95 und 90 Prozent. „Ich glaube schon, dass es über 90 Minuten dann sehr gut zwischen uns beiden aussah“, sagte Andrich über sich und Kroos.

102

Pässe spielte Andrich gegen Frankreich, nur Toni Kroos hatte mehr

„Toni ist ein unfassbarer Spieler und ich versuche einfach, ihm mit meiner Spielintelligenz so zuzuarbeiten, dass er sich so entfalten kann, dass er für uns unfassbar wichtig ist.“ Der Leverkusener zeigte nebenbei, dass er nicht nur ein Abräumer ist, sondern mit klugen Pässen und einem gewissen Offensivdrang auch weiter vorne Akzente setzen kann.

Auch wenn Kapitän Ilkay Gündogan, der auf der Zehn zum Einsatz kam, leistungstechnisch etwas abfiel im Gegensatz zu Kroos und Andrich, funktionierten die Abläufe in der Zentrale deutlich besser als zuletzt. Trainer Nagelsmann scheint mit den Dreien eine Kombination gefunden zu haben, die EM-Potenzial hat.

Zwar stehen mit Leroy Sané und Pascal Groß Spieler hinten dran, die in die Startelf drängen und das Gefüge auf dem Platz verändern könnten. Doch in dieser Form dürfte Andrich neben Kroos gesetzt sein.

Zumindest beim nächsten Testspiel gegen die Niederlande am Dienstag (20.45 Uhr, RTL) kann sich Andrich berechtigte Hoffnungen auf einen erneuten Startelfeinsatz machen. Denn eine große Rotation hat Nagelsmann nicht vorgesehen. „Geplant ist schon, dass es die gleiche Elf wird wie gegen Frankreich“, sagte er am Montag.