THW Kiel in der Krise: Die Meisterschaft ist weit weg
Domagoj Duvnjak atmet tief durch. Wie sich der THW Kiel zuletzt verkauft hat, lässt auch den erfahrenen Handballer etwas ratlos zurück. „Ich habe keine Ahnung, warum wir solche Schwankungen haben. Das ist unerklärbar. Und es ist nicht so, als ob wir nicht nach einer Antwort suchen würden“, sagt der 35 Jahre alte Rückraumspieler, der am Donnerstagabend mit seiner Mannschaft ein derbes 18:27 in der Champions League gegen Aalborg hinnehmen musste.
Wettkampfübergreifend war der Misserfolg damit bereits die achte Niederlage dieser Saison. „Wir spielen ein Spiel überragend, das nächste unterirdisch – das bereitet mir Sorgen“, erklärt der gebürtige Kroate. „Das sind zwei ganz unterschiedliche Gesichter. Da müssen wir eine Lösung finden. So geht es nicht weiter.“
Interessierte müssen schon sehr lange in der Statistik wühlen, um eine Partie ausfindig zu machen – nämlich jene gegen Wallau/Massenheim im März 2001 – in der die Holsteiner wie nun gegen die Dänen sechs oder weniger Tore in einer Halbzeit erzielten.
Frühes Aus für THW Kiel im DHB-Pokal
Die etlichen Titel, die der deutsche Rekordmeister seither holte, helfen da wenig. Nach 20 Jahren im Dauerhoch hat das Image des großen THW in dieser Spielzeit nach dem durchwachsenen Saisonstart und dem frühen Aus im DHB-Pokal einen tiefen Riss bekommen. Und wenn nun Kreisläufer Hendrik Pekeler vor laufenden Kameras kritisiert, dass im Angriff nur kleine Jungs und keine Männer spielen würden, dass jeder sich die Grundsatzfrage stellen müsse, ob er wirklich in diesen Verein gehört, lässt das tief blicken.
Ich habe keine Ahnung, warum wir solche Formschwankungen haben. Das ist unerklärbar.
Domagoj Duvnjak, Spieler des THW Kiel
„Wir sind in einer Krise. Da sollte jeder zuerst auf sich selbst schauen und zusehen, wie er die Mannschaft besser machen kann“, sagt Duvnjak. Auf den Seitenhieb seines Mannschaftskollegen möchte er sich nicht einlassen, wenngleich es offensichtlich ist, dass Kiel – auch der gestiegenen Konkurrenz geschuldet – neuerdings mehr auf Talente setzt als auf ausgeformte Handballer. Für den 239-maligen Nationalspieler, der seit 2014 an der Förde spielt, hat der Kader dennoch weiter überaus viel Qualität.
Geduld kennen sie im hohen Handball-Norden nicht
An den namhaften Abgängen von Niklas Landin, Miha Zarabec und Sander Sagosen, die das Team auch menschlich stark geprägt haben, will er die momentanen Probleme nicht festmachen. „Wir haben trotzdem eine starke Mannschaft“, sagt Duvnjak und verweist unter anderem auf die individuelle Klasse des neuverpflichteten Elias Ellefsen á Skipagøtu, der mit seinen 21 Jahren seine erste Bundesliga-Saison spielt. „Wir brauchen aber mehr Kommunikation untereinander und mehr Körpersprache – gerade, wenn es schlecht läuft. Doch das geht alles nicht über Nacht.“
Geduld ist allerdings etwas, was sie im hohen Norden nicht unbedingt kennen. Dass Kiel momentan nicht nur von der Spitze, sondern auch von den Champions-League-Rängen weit entfernt ist, erfordert eine Anpassung der nicht geringen Ansprüche. „Die Meisterschaft ist so weit weg“, sagt der Welthandballer von 2013, der mit dem THW indes auch schon verloren geglaubte Spielzeiten im Schlussspurt gewinnen konnte. „Sport ist manchmal so. Jetzt geht es darum, dass wir als Mannschaft besser funktionieren. Dann schauen wir, wo wir am Ende stehen.“
Dass am Sonntag mit den Füchsen Berlin der ungeschlagene Spitzenreiter um seinen Schwager Marko Kopljar zu Gast ist (14 Uhr/ Dyn, RBB, NDR), ist nur bedingt förderlich. Trotzdem will Duvnjak nicht aufstecken. Weil das die Spiele sind, auf die sich jeder Profihandballer freut. Weil er sicher ist, dass die Ostseehalle für einen entsprechenden Rückhalt sorgen wird. Weil er um die Qualität seines Teams weiß. Schließlich sprechen wir vom Meister der Vorsaison. „Wir werden auf jeden Fall alles geben“, sagt Domagoj Duvnjak – und ist sich an dieser Stelle wieder ganz sicher.