Der Klimawandel, die Rebellion und die Literatur: Frühe Letzte Generation

Nicht erst seit den vergangenen Tagen, da sie ihre Proteste verschärft haben, sind die Klimaschützer der Letzten Generation in aller Munde und selbst denen ein Begriff, die glauben, der Klimawandel finde auf einem anderen Planeten statt.

Der Name, den die Protestgruppe sich gegeben hat, ist ein schlagender, alles sagender, auch popkulturell schön codierter. Auf den kann man schon mal kommen, um zu verdeutlichen, dass es in puncto Klimawandel eher fünf nach als fünf vor zwölf ist. Oder hat die Letzte Generation gar Bücher der US-Autorin Joy Williams gelesen?

Jahrhundert der Zerstörung

Bislang war die 1944 geborene Williams hierzulande eine gänzlich unbekannte Schriftstellerin. Obwohl sie schon diverse Romane, Kurzgeschichten und Essays geschrieben hat und von Größen wie Bret Easton Ellis oder Lauren Groff in ihrer Heimat gefeiert wurde, hat sie jetzt erst der Münchener Verlag dtv entdeckt und vor zwei Wochen einen Stories-Band veröffentlicht. Seit langem zähle sie „zu den nachdrücklichenökologischen Stimmen in den USA“ heißt es in ihrer Bio, und als müsse das gleich beglaubigt werden, findet sich in dem Band eine Geschichte mit dem Titel „The Last Generation“.

Die Geschichte handelt von einem neunjährigen Jungen, der seine Mutter bei einem Verkehrsunfall verloren hat und sich mit der Ex-Freundin seines älteren Bruders anfreundet. Als sie ihm ein Buch über Eisberge schenkt, stoßen sie auf eine Stelle, in der es um Sehkühe geht, die 1768 ausstarben. Der Junge kennt das Wort „ausgestorben“ nicht, und sie erklärt es ihm mit Jahreszahlen und dem „Jahrhundert der Zerstörung“, in dem wir nun leben: „Die Erde gibt es seit vier Komma sechs Milliarden Jahren, und es dauert vielleicht nur noch fünfzig Jahre, um sie auszulöschen.“

Joy Williams schrieb diese Geschichte 1990 für die „Atlantic Monthly Press“. Das Bewusstsein für die fortschreitende Zerstörung des Planeten gab es zu der Zeit natürlich schon, passiert ist eher nicht so viel. Die Letzte Generation versucht nun, rabiater darauf hinzuweisen, dass etwas passieren muss. Es wirkt, als würde sie sich diese Worte aus Williams’ Geschichte zu eigen gemacht haben: „Die letzte Generation hat gewisse Verpflichtungen, (…). Wir sollten nichts wissen und nichts wollen und nichts sein, aber gleichzeitig sollten wir alles wollen und alles wissen und alles sein.“

Gerrit Bartels ist stellvertretender Ressortleiter Kultur und Literaturredakteur.