Mediterrane Liebeserklärung ohne Folklore-Klischees
An diesem schwülheißen Augustabend ist Berlin nicht mehr weit entfernt von Andalusien. Statt der Laubbäume rund um die Waldbühne sieht man in der Fantasie plötzlich einen maurischen Garten mit kunstvollen Wasserspielen. Das Programm, mit dem Daniel Barenboim und sein West-Eastern Divan Orchestra Station machen, könnte kaum besser passen als jetzt. Auch für Maurice Ravel und Claude Debussy war Spanien kurz nach 1900 ein Sehnsuchtsort. Träumerisch und rätselhaft beginnt Ravels „Rapsodie espagnole“, eine zarte Liebeserklärung ganz ohne Folklore-Klischees.
Barenboim und seine Musiker gestalten das „Prélude à la nuit“ in feinen Klangschattierungen. Aus dem zweiten Satz „Malagueña“ blitzt ein feuriger Fandango mit Kastagnetten-Begleitung hervor, bevor die Stimmung wieder ins Melancholische kippt. Auch Debussys „Ibéria“ entfaltet Magie.
Während Tausende Zuhörer die Düfte der spanischen Nacht in sich aufsaugen, herrscht im Rund eine konzentrierte Stille. Zwischen den Sätzen wird nicht geklatscht, der Faden reißt nie ab. Barenboim, der im Frühjahr krankheitsbedingt länger pausieren musste, wird dankbar begrüßt.
Unbestrittener Star des Abends ist aber Publikumsliebling Lang Lang, der erstmals mit dem West-Eastern Divan Orchestra auftritt. Virtuos und mit viel Kalkül brilliert er als Klaviersolist in Manuel de Fallas „Nächten in spanischen Gärten“. Für das Orchester sozusagen ein Heimspiel, denn die Proben im Sommer finden immer in der Nähe von Sevilla statt.
Lang Lang setzt markante rhythmische Akzente, ein flirrender Streicherklang erfüllt die Luft. Impressionistische Einflüsse mischen sich mit temperamentvoller spanischer Folklore und ihrem nahöstlichen Erbe. Als Zugabe spendiert der Pianist den „Feuertanz“ aus de Fallas Ballett „El amor brujo“. Das Publikum johlt und springt von den Sitzen auf, auch nach Ravels „Boléro“ ganz am Schluss.
Lang Lang ist ein Bühnentier. Berühren können einen an diesem Abend aber eher die jungen Bläsersolisten, die auf der vielbeschworenen Stuhlkante sitzen. Flöten, Oboen und Englischhorn vereinen sich zu einem traumschönen Dialog. Dass das West-Eastern Divan Orchestra mit Mitgliedern aus Israel und arabischen Ländern in diesen unruhigen Zeiten gemeinsam auftritt, ist alles andere als selbstverständlich. Denn auch der Nahe Osten bleibt ein Pulverfass.