Die Eisbären verlieren erst die Kräfte und dann das Spiel
Dass sich diese Finalserie von gewohnten Ritualen unterscheidet, offenbarte sich unmittelbar vor dem ersten Bully. In den letzten Spielen der Saison wird stets die Nationalhymne geschmettert, und es ist in Berlin eigentlich gute Tradition, dass Karat-Gitarrist Bernd Römer seine sehr eigenwillige Version auf der E-Gitarre wiedergibt. Doch vor dem ersten Spiel zwischen den Eisbären und Red Bull München kam die Hymne diesmal vom Tonband.
Angesichts der Tatsache, dass sich die Berliner erst am Donnerstagabend mit einem 3:0 gegen die Adler Mannheim für dieses Finale qualifiziert hatten, war es auch nicht wirklich verwunderlich, dass nur 10 015 Fans (20 weniger als am Donnerstag) den Weg in die Arena am Ostbahnhof gefunden hatten. Nicht mal alle Imbissbuden waren geöffnet. Allerdings kamen alle Anwesenden durchaus auf den Geschmack, wenngleich die Eisbären trotz eines großen Kampfes nach dem 3:4 (2:0, 1:3, 0:1) als Verlierer vom Eis gingen. Selbst eine Drei-Tore-Führung reichte nicht, um eine kleine Eishockeysensation zu vollbringen.
Obwohl das Pensum, das die Berliner zu absolvieren haben, körperlich nur schwer durchzustehen ist, setzte Cheftrainer Serge Aubin auf das gleiche Line-up wie tags zuvor. Und es war zu spüren, dass die Spieler den Schwung und die Euphorie mitnehmen wollten. Angesichts des zu erwartenden Kräfteverschleißes hatten sie den Matchplan entwickelt, einen frühen Wirkungstreffer zu setzen.
Nach der ersten aggressiven Münchner Welle ging das Konzept zunächst voll auf. In der zwölften Minute sah Frans Nielsen den üppigen Platz rund um Kevin Clark, der den Puck zielgenau in die Maschen drosch. Und nur drei Minuten später erhöhte Zach Boychuk im Powerplay auf 2:0 – mit seinem sechsten Play-off-Tor. An Effizienz war das kaum zu überbieten. Kapitän Frank Hördler hatte nach dem Finaleinzug noch mal auf die Mentalität seiner Mannschaft verwiesen: „Wir haben viele Spieler, bei denen man sofort spürt, dass sie schon im Training eine Schippe drauflegen, weil die heiße Zeit beginnt. Das spiegelt sich in den Spielen wider.“
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Die Eisbären knüpften nach der Pause zunächst an ihren Rausch an. 43 Sekunden dauerte es nur, bis Leo Pföderl das 3:0 erzielte. Als Kevin Clark in der 25. Minute für vier Minuten auf die Strafbank musste, weil ein hoher Stock für eine Verletzung beim Gegner gesorgt hatte, nahm das Spiel eine dramatische Wendung.
Nachdem sich die Eisbären fast die kompletten vier Minuten erfolgreich gewehrt hatten und selbst eine kritische Entscheidung nach Videobeweis zugunsten der Eisbären entschieden wurde, nahm die Münchner Aufholjagd ihren Lauf. Neun Sekunden bevor Clark von der Strafbank kam traf Patrick Hager zum ersten Mal für die Gäste. Gute zweieinhalb Minuten später jubelte Hager erneut, nachdem die Schiedsrichter nach der Videosichtung diesmal auf ein Tor für München entschieden hatten.
Schon am Sonntag und Montag stehen die nächsten Finalspiele an
Und als dann auch noch Ben Smith zum 3:3 getroffen hatte, war die einst komfortable Führung innerhalb von fünf Minuten weg. Nun war den Gastgebern eben doch anzumerken, dass die Kraftreserven endlich sind. München hingegen war am vergangenen Sonntag zum letzten Mal gefordert. Mit 3:0 hatten sie ihre Halbfinalserie gegen Wolfsburg gewonnen.
Dennoch zeigten sich die Eisbären im Schlussdrittel gut erholt und brachten die Scheibe ein ums andere Mal gefährlich vor das Münchner Gehäuse. Doch der entscheidende Treffer des Tages gelang Zach Redmond fünf Minuten vor der Sirene zur großen Enttäuschung in der Arena. Nun geht es für die Berliner darum, schnell die Batterien aufzuladen, um dann für den Doppelspieltag am Sonntag in München und am Montag wieder daheim gewappnet zu sein.