70. Geburtstag von Mickey Rourke: Mit dem Lächeln eines Boxers
Selbst mit 35 Jahren Abstand erscheint es immer noch unwirklich, wie makellos hübsch Mickey Rourke in „9 ½ Wochen“ aussieht. Die weichen Gesichtszüge, die von einem leicht mokanten Lächeln (diese Grübchen!) umspielt werden, klassische Americana-Schönheit mit Preisboxer-Attitüde. Adrian Lynes toxischer Liebesfilm, damals noch von der Kritik verschmäht, zählt heute zu den kulturellen Meilensteinen des 1980er-Kinos.
Die abgedroschene Erotik von „9 ½ Wochen“ , ausgeleuchtet wie ein MTV-Video (Sex im Regen, Striptease hinter Jalousien), hat die Jahrzehnte zwar nicht sonderlich gut überdauert. Aber es ist immer noch leicht nachvollziehbar, wie Mickey Rourke für ein paar Jahre zu dem Sexsymbol Amerikas werden konnte. Nicht einmal sein Ruf als schlimmer Finger konnte diesem Ruhm etwas anhaben (außer vielleicht bei seinen Regisseuren), im Gegenteil kokettierte Rourke gerne mit seinen schlechten Manieren.
Rourke hat sich seine Karriere auf dem Höhepunkt selbst ruiniert
Und weil man in den achtziger Jahren solch überirdischen Erscheinungen noch alles durchgehen ließ, musste Rourke seine Karriere auf dem Höhepunkt schon selbst ruinieren – mit Drogeneskapaden, Verhaftungen, Sexskandalen, schlampigen Schönheitsoperationen und Missbrauchsanschuldigungen von seiner Partnerin Carré Otis, die in ihren Memoiren „Beauty, Disrupted“ ausführlich über die On/Off-Beziehung berichtet. Zu diesem Werk passt es dann auch, dass sich die Liste der Filme, die Rourke aus Überheblichkeit ablehnte (darunter „Platoon“, „Top Gun“, „Rain Man“, „Das Schweigen der Lämmer“ und „Pulp Fiction“), rückblickend eindrucksvoller liest als seine tatsächliche Filmografie.
Hollywood hat Mickey Rourke das Leben gerettet – und hätte ihn beinahe auch zerstört. Dass er am Freitag seinen 70. Geburtstag erlebt, ist schon ein kleines Wunder. Seine erste Karriere als Amateurboxer musste er gesundheitsbedingt früh beenden. Ende der Siebziger schlägt er sich in New York als Türsteher durch, bis ihm ein Freund Lee Strasbergs Actors Studio empfiehlt. Rourke landet eine kleine Rolle in einem Spielberg-Film, 1982 dreht er mit Barry Levinson „Diner“, im Jahr darauf hat er in Francis Ford Coppolas „Rumble Fish“ seinen Durchbruch.
Mit Robert de Niro liefert er sich bei den Dreharbeiten zu „Angel Heart“ (1987) hinter den Kulissen legendäre Konkurrenzkämpfe, wie Regisseur Alan Parker später erzählt. Zwei Egos auf der Höhe ihrer Kunst. Die Sexszenen mit Ko-Star Lisa Bonet sollen damals echt gewesen sein. Solche Gerüchte schmücken Rourkes Karriere, sie wiederholen sich zwei Jahre später in dem abgeschmackten Erotikdrama „Wilde Orchidee“ mit sFreundin Carré Otis. Der Film beschädigt sein strahlendes Image gründlich. Anfang der 1990er sinkt sein Stern so schnell, wie er aufgestiegen war. Rourke kehrt, voller Verachtung für Hollywood, zum Boxen zurück und ruiniert im Ring sein hübsches Gesicht endgültig.
Auch darum war in den vergangenen zwanzig Jahren Rourkes Rollenprofil sehr limitiert – ähnlich wie beim späten Marlon Brando, mit dem er anfangs tatsächlich verglichen wurde. Heute taucht er vor allem in larger than life Nebenrollen und B-Movies auf. Seine politischen Ansichten (vom Putin-Versteher zum Biden-Wähler) sind so erratisch wie seine Karriereentscheidungen; gerade drehte er mit Roman Polanski.
Mickey Rourke ist immer der Freigeist geblieben, der es sich vor dreißig Jahren mit Hollywood verscherzt hat. Dass das Kino von solchen Typen aber nie genug kriegen kann, zeigt sich schon darin, dass Darren Aronofsky ihm mit „The Wrestler“ ein persönliches, vielleicht das ultimative filmische Denkmal setzte. Im abgehalfterten Wrestlingstar Randy „The Ram“, ein menschliches Spektakel in einem versehrten Körper, steckt viel von Mickey Rourke. Das Schöne und das Biest.
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