Wie die Fußballklubs ihre Fans mit immer neuen Trikots schröpfen
Jahrelang haben die Fußball-Fans die immer absurderen Auswüchse im Trikot-Handel eher murrend zur Kenntnis genommen. Doch nun scheint das Rad überdreht. Jetzt gibt es Zoff um den Stoff. Ein Heimtrikot, ein Auswärtstrikot, ein Ausweichtrikot, ein Europacup-Trikot, ja sogar Aufwärmtrikots werden im Fan-Shop angeboten. Alles komplett überteuert und in teilweise Tradition missachtenden Farben – das ist für viele Fans des Guten zu viel.
Wo sie einst einer Sammel-Leidenschaft frönten, fühlen sich viele heute nur noch als Kunde, dem ohne große Kreativität das Geld aus der Tasche gezogen werden soll. Sig Zelt, Sprecher des Bündnisses ProFans, bezeichnet die Maßnahmen als „den krampfhaften Versuch, das Geschäft noch weiter anzukurbeln“. Zudem seien die Preise der Trikots „seit Jahren übertrieben“. Das „Authentic“ Heimtrikot des FC Bayern München mit Flock und Logos kostet derzeit im Fan-Shop 157,95 Euro.
Stefan Appenowitz, Autor des Buches „Bundesliga-Trikots. 1963 bis heute“ spricht von einer „Trikotinflation“. Im Ausland gebe es Clubs, „deren Trikotgestaltung unverrückbar feststeht. Der FC Barcelona tritt immer in blau-roten Streifen an, Inter Mailand in blau-schwarzen, Juventus Turin in weiß-schwarzen“, sagte Appenowitz der „Süddeutschen Zeitung“. „So ein Markenzeichen hat in Deutschland nur ein Club: der VfB Stuttgart mit seinem roten Brustring.“
Dass grundsätzlich ein Markt da ist, zeigen die gut laufenden Sondertrikots. Das Karnevalstrikot des 1. FC Köln ist alljährlich ein Verkaufsschlager. Ebenso das Fastnacht-Trikot von Mainz 05, das Wiesn-Trikot des FC Bayern oder die Sonderedition „Kohle&Stahl“ 2019 bei Borussia Dortmund.
Doch in der Vorwoche war der BVB Auslöser einer emotionalen Diskussion. In einer geleakten Ursprungsversion des Europacup-Shirts fehlte das Vereinswappen. Es wurde hinzugefügt, allerdings kaum erkennbar. Er sei „sicherlich nicht der beliebteste Mitarbeiter von Borussia Dortmund bei unseren Fans“, stellte Dortmunds Marketingchef Carsten Cramer im Podcast „kicker meets DAZN“ fest: „Das ist schon ein ganz schmaler Ritt, Marketing für einen Fußballverein zu machen.“ Puma-Vorstandschef Björn Gulden, einst selbst Fußball-Profi, entschuldigte sich bei den Fans und versprach: „Wir werden das Feedback bei zukünftigen Trikots berücksichtigen.“
Positiv ist der Trend zur Nachhaltigkeit
Auch beim ersten Einsatz des Champions-League-Dresses des FC Bayern rieben sich die Zuschauer verwundert und oft befremdet die Augen. Statt in klassischem Weiß oder Rot oder wenigstens Schwarz wie in den Vorjahren oft prägten zahlreiche Farbkleckse die Brust der Spieler. Es handele sich um „eine stilisierte Bergwelt“, teilte der Verein mit, „die die Heimatverbundenheit und Wurzeln genauso symbolisiert wie den Anspruch, immer die höchsten Gipfel anzuvisieren“. In der Liga spielten die Münchner zuletzt im grünen Trachtenlook, weil an diesem Samstag das Oktoberfest begonnen hätte. Hätte. Allerdings werden Sondershirts auch mit großem Vorlauf produziert.
Und manchmal gelingt Club und Ausrüster ein Coup – und dann schreitet die Bürokratie ein. So verbot die UEFA das Spezial-Trikot von Ajax Amsterdam, das als Reminiszenz an den Bob-Marley-Song „Three Little Birds“ drei Vögel im Nacken eingestickt hatte. Im Nackenbereich seien nur Teamsymbole erlaubt, erklärte die UEFA. Unter den Fans wurde das Shirt dennoch Kult. „Das Trikot verzeichnete innerhalb kürzester Zeit eine sehr hohe Nachfrage“, sagte ein Adidas-Sprecher und kündigte an: „Auch in den kommenden Jahren werden wir gemeinsam mit unseren Partnervereinen ikonische, aber auch moderne Trikotdesigns vorstellen.“
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Positiv ist der Trend zur Nachhaltigkeit. Zweitligist FC St. Pauli produzierte seine Trikots selbst, um alle Kriterien zu erfüllen. Die von Bundesligist Arminia Bielefeld bestehen nach Vereinsangaben aus 13 zu 100 Prozent recycelten Halb-Liter-PET-Flaschen.
Schließlich sind Trikots ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, damit sich teure Spieler annähernd amortisieren. Das Shirt von Cristiano Ronaldo wurde in den ersten zwölf Stunden nach seiner Rückkehr zu Manchester United über 300 000 Mal verkauft. Und damit öfter als jedes Trikot eines Premier-League-Spielers in der gesamten Vorsaison. Der Umsatz in diesen zwölf Stunden soll knapp 40 Millionen Euro betragen haben.
Auch für die Profis bedeuten die neuen Designs augenscheinlich eine Umstellung. Muhammed Gümüskaya von Fenerbahce Istanbul wollte nach seinem Siegtor in der Europa-League-Qualifikation gegen HJK Helsinki das Wappen auf dem Trikot küssen. Er fand aber keins. (dpa)