Voll der Fluxus
Galerist, Ausstellungsmacher, partner in crime – es fällt schwer, das Schaffen von René Block auf einen Begriff zu bringen. Vor allem ist er ein Entdecker. Früh erkannte er das Potenzial zahlreicher Künstler:innen und trug zu ihrer Karriere bei. „Dafür gibt es keine Sicherheit. 1964 wusste ich noch nicht, was aus Richter, Beuys oder Polke werden würde. Aber ich spürte, wie sie mich und die Kunstwelt veränderten“, beschreibt Block sein Gefühl für Kunst.
Für die Ausstellung seines Archivs unter dem Titel „Ich kenne kein Weekend“ 2015 in der Berlinischen Galerie hat Block eine Karte all seiner Tätigkeiten gezeichnet. Sie sieht aus wie die kurvenreiche Route eines Expeditionsschiffs zu den Archipelen der Kunst. Erster Anlaufpunkt war die Insel West-Berlin. Block, am heutigen Dienstag vor 80 Jahren in Velbert geboren, besuchte zunächst die Krefelder Werkkunstschule und lernte Glasmalerei. Mit 21 Jahren zog er nach Berlin und gründete 1964 seine Galerie in der Schöneberger Frobenstraße 18. „Ich wollte mit Künstlern gemeinsam etwas Neues machen“, nennt er sein Motiv. „Neodada, Pop, Decollage, Kapitalistischer Realismus“ hieß die erste Ausstellung mit Künstlern wie Gerhard Richter, Sigmar Polke oder KP Brehmer. Tagesspiegel-Kritiker Heinz Ohff eröffnete sie.
Als Galerist und Sammler wurde Fluxus zu Blocks Leidenschaft. Das Entgrenzte von Fluxus prägte seine Karriere, das Zusammenspiel von Musik, neuen Techniken, Installation und Drama begleitete fortan seine Arbeit als Kurator. Nach den Fotos und Filmaufnahmen zu urteilen, war Fluxus auch eine Schule der Gelassenheit, eine Lehre im Umgang mit produktivem Chaos.
Das ist so geblieben. Im Gespräch wirkt Block entspannt und immer ein paar Schritte voraus. Drei Jahre nach Eröffnung der Galerie begann sein Herzensprojekt „Hommage à Lidice“, das sich fast fünfzig Jahre hinzog. 1967 gab er einen Aufruf des Lidice-Komitees an die Künstler:innen seiner Galerie weiter, Werke für ein geplantes Museum des tschechischen Dorfes zu spenden, das 1942 von den Nationalsozialisten zerstört worden war. Als 1968 russische Panzer in die Tschechoslowakei einrollten, verschwanden sie im Depot. Inzwischen gehören die Werke, darunter Richters Gemälde „Onkel Rudi“, zur Sammlung des Kulturhauses in Lidice.
René Blocks verwegenster Streich als Kunsthändler ist inzwischen Legende. 1969 verlangte er beim Kölner Kunstmarkt aberwitzige 110 000 DM für die Installation „Das Rudel“ von Joseph Beuys. Den Preis hatte er den auf der Messe für US-Künstler geforderten Summen angepasst. Tagelang musste er das Gespött der Kollegen aushalten, bis der Sammler Jost Herbig das Werk kaufte.
Beuys war es auch, der 1974 Blocks Dependance in New York mit der berühmten Aktion „I like America and America likes me“ einweihte. Eine Woche lebte der Künstler mit einem Kojoten in den neuen Räumen. Mit Beuys feierte Block schließlich auch die letzte Ausstellung seiner Galerie unter dem Titel „Ja, jetzt brechen wir hier den Scheiß ab”“
Danach begann Blocks Arbeit als freier Kurator und seine internationale Tätigkeit: erst als Leiter des Berliner Künstlerprogramms vom DAAD, dann am Institut für Auslandsbeziehungen. Schließlich wurden die Biennalen sein Element: in Sydney wie Istanbul. Daraus entwickelte sich wiederum Tanas, eine Etage für türkische Kunst in der Berliner Heidestraße, und später „Arter“, das Istanbuler Zentrum für Moderne Kunst, dessen Sammlung Block mit aufbaute.
„Ich gehe immer von den Räumen aus, von der Frage, für welche physischen, kulturellen und politischen Räume etwas entstehen soll“, beschreibt Block seine Methodik. Künstlerinnen wie Ayse Erkmen, Karin Sander oder Rebecca Horn erhielten bei ihm große Auftritte. Als Direktor des Fridericianums in Kassel richtete er eine Kuratorenwerkstatt ein, um die nächste Generation vor Anfängerfehlern zu bewahren.
Block denkt auch weiterhin immer ein paar Schritte voraus. Seine Fluxus-Sammlung befindet sich heute als Dauerleihgabe im Nürnberger Neuen Museum. Dort werden ab Dezember alle 115 Editionen gezeigt, die er im Laufe seiner Karriere mit Künstler:innen produzierte. Inzwischen ist Tochter Anna Geschäftsführerin der Edition Block in der Prager Straße. Die Sammlung künstlerischer Schallplatten seiner Frau Ursula, die lange die Galerie Gelbe Musik führte, wurde wiederum von der Nationalgalerie für das künftige Museum der Moderne am Kulturforum angekauft.
Doch damit hört es nicht auf. Die von ihm gegründete Kunsthalle 44Mon – gegenüber dem eigenen Ferienhaus auf der dänischen Insel – wird gerade um eine neue Halle für Klangkunst ergänzt. 2022 kuratiert Block außerdem die Biennale in Riga. Auch wenn eine der dortigen Spielstätten Geflüchteten aus der Ukraine gerade als Unterkunft dient, soll sie trotzdem stattfinden. Einer wie Block lässt sich auch in chaotischen Zeiten nicht aufhalten. Simone Reber