Soap & Skin in der Volksbühne: Ein Vulkan bricht aus
Vielleicht sollte die Volksbühne noch stärker auf Künstlerinnen aus Österreich setzen, um den Laden vollzukriegen. Die Stücke der Wienerin Florentina Holzinger verkaufen sich von ganz allein aus und nun hat es auch Anja Plaschg alias Soap & Skin geschafft, bei gleich zwei Konzerten hintereinander die Große Bühne bis auf den letzten Platz zu füllen.
Das Theater erweist sich dann auch als perfekter Ort für eine Musikerin wie Soap & Skin. Was man bei ihr erlebt, ist schließlich weit mehr als bloß ein Popkonzert, sondern man wird Teil einer mit großer Ernsthaftigkeit vorgetragenen Inszenierung, die einen bannen und überwältigen soll und das auch tut. Theatertypische Katharsis gibt es obendrauf.
Der Auftritt hat zwei Teile. Im ersten sitzt Plaschg am Klavier und singt, ausdrucksstark und gleichzeitig in sich gekehrt, fast schüchtern wirkend. Die meisten der Songs sind englisch, so fällt der sehr spezielle deutsche Text in einem ihrer Lieder um so mehr auf, das ihrem früh verstorbenen Vater gewidmet ist und von dem Wunsch handelt, eine Made sein zu wollen.
In der zweiten Hälfte des Abends erhebt sich Plaschg dann plötzlich von ihrem Klavierhocker, verwandelt sich in einen Vulkan und lässt ihren Körper zur Musik zucken. Das Publikum bleibt zu jeder Sekunde des Konzertabends gebannt. Während der Stücke ist nirgendwo auch nur ein Mucks zu vernehmen und jedes Mal, wenn sich die Spannung in den kurzen Pausen löst, gibt es nicht nur Applaus, sondern auch spontane Zurufe wie „I love you“ oder „You’re beautiful“. Die so Angesprochene lächelt jedes Mal kommentarlos.
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Erwartungen unterlaufen
Es ist aber auch wirklich sehr besonders, wie Soap & Skin ihre Show gestaltet. Begleitet wird sie von einem fünfköpfigen Kammermusikensemble, von zwei Streichern und drei Bläsern, die weitgehend nach Noten spielen und hörbar ihr Handwerk verstehen. Überall auf der Bühne stehen Blumensträuße herum, was eine intime Session-Atmosphäre erzeugt.
Soap & Skin mag sich über die Jahre hinweg den Ruf einer außergewöhnlichen, aber auch etwas unnahbaren und enigmatischen Künstlerin erarbeitet haben. Hier in der Volksbühne aber bekommt man das Gefühl, dass sie sich auf eine ganz spezielle Art gegenüber ihrem Publikum öffnen und etwas von sich und ihren Gefühlen preisgeben möchte.
Dazu passt, dass an ihrem Klavier ein Talisman in Schweinchenform hängt. Die Musikerin hat in Interviews schon öfter über Depressionen und Selbstzweifel gesprochen. Der Glücksbringer an ihrer Seite scheint ihr da ein wenig zu helfen.
Leidenschaft für Coverversionen
Anja Plaschg war gerade mal 18 Jahre alt, als sie gleich mit ihrem Debütalbum zum Star und nicht nur in ihrer Heimat Österreich als Wunderkind gefeiert wurde. Nun ist sie Mitte 30 und immer noch eine Musikerin und Künstlerin, die zu überraschen weiß. Die vorletzte Platte von Tocotronic bleibt eigentlich nur im Gedächtnis wegen ihres unerwarteten Gastauftrittes beim Song „Ich tauche auf“. Und seit ihrer Hauptrolle in dem auf der Berlinale gefeierten österreichischen Film „Des Teufels Bad“, für den sie anfangs eigentlich nur die Musik schreiben sollte, wird sie auch als Schauspielerin bewundert.
Ihre Leidenschaft für Coverversionen, die sie auf ihrem aktuellen Album „Torso“ auslebt, beruht ebenfalls auf dem Grundgedanken, Erwartungen zu unterlaufen. Ihre Version des Schmuseliedes „Voyage Voyage“ von Desireless, die sie auch in Berlin vorträgt, klingt nicht nach den unbeschwerten Achtzigern, sondern verzweifelt und hoffnungslos, also angesichts der Weltlage viel zeitgemäßer als das Original.
Wenn sie jedoch gegen Ende ihres Konzerts „Pale Blue Eyes“ vorträgt, pumpt sie das zerbrechliche Lied von The Velvet Underground mit Pathos auf, wodurch auch dieser Klassiker eine eigene Note bekommt. Letztlich ist es aber völlig egal, was sie und ihre Band aus eigenen Songs und Fremdkompositionen in der Volksbühne machen. Denn jedes Mal entstehen dabei magische Momente.