Para-Schwimmer aus 47 Nationen treffen sich in Prenzlauer Berg

Es war ein ganz schöner Tumult vor der Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark. Dort waren etliche Athlet*innen damit beschäftigt, sich erst in das Sicherheitssystem einzuloggen, dann einen Corona-Test durchzuführen und anschließend darauf zu hoffen, dass dieser negativ ausfällt, damit die Gesichtserkennung ihnen Zugang gewährt. Arabische, türkische und französische Wortfetzen waren zu vernehmen. Denn bei der Internationalen Deutschen Meisterschaft (IDM) im Para-Schwimmen, die an diesem Donnerstag in Prenzlauer Berg beginnt, sind 446 Athlet*innen aus 47 Nationen angereist. Mit dabei sind auch einige Deutsche wie Paralympicssiegerin Elena Semechin und der gebürtige Berliner Malte Braunschweig, der in Tokio den achten Platz belegte und bereits zum elften Mal an der IDM teilnimmt.

Der 21-jährige startet für die SG Neukölln und wird in gleich fünf Disziplinen antreten. Braunschweig hat eine Dysmelie, eine Fehlbildung des rechten Arms. Dass er an der IDM teilnehmen würde, war vor einiger Zeit noch nicht absehbar, erst seit wenigen Wochen ist er wieder im Training dabei. „Ich leide seit 2013 an einer Morbus-Crohn-Erkrankung“, erzählt Braunschweig, „lange Zeit hatte ich Ruhe, aber im Dezember hatte ich dann einen Schub, weswegen ich ausgefallen bin. Im Februar kam ein weiterer, sodass ich eine Woche ins Krankenhaus musste.“

Als Leistungssportler sei es schwierig, zu trainieren und gleichzeitig auf seine Belastung zu achten, was bei Morbus Crohn jedoch wichtig sei. „Das musste ich in diesem Jahr noch mehr lernen.“ Für Braunschweig waren die Wochen, in denen er aussetzen musste, ein herber Rückschlag. „Vor Tokio war ich in der Form meines Lebens, stärker war ich noch nie.“ Dorthin will er sich nun Schritt für Schritt zurückarbeiten und sein Leistungsniveau steigern, ohne sich dabei zu übernehmen. Denn sollte er sich für die WM qualifizieren, will er dort eine „Top-Leistung“ zeigen.

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Ein wenig getrübt wird die Vorfreude auf das Wochenende davon, dass keine Zuschauenden zugelassen sind. Für Braunschweig, dessen Familie in Berlin lebt und die ihn sonst angefeuert hätte, ist das besonders schade. Aber er hat seine eigenen Wege, sich dennoch zu motivieren. Vor dem Rennen hört er meist Musik, von Deutschrap über Techno bis hin zu Rammstein ist alles dabei. Manchmal tauscht er sich auch mit seiner Freundin oder seinem Bruder aus, die ihm Mut zusprechen. Sein Bruder Ole ist ebenfalls Schwimmer, mit einigen Wochen Abstand reisten die beiden im vergangenen Jahr nach Tokio – Ole zu den Olympischen Spielen und Malte zu den Paralympics.

So konnte Ole seinem Bruder bereits ein paar Tipps geben und über den Bildschirm mitfiebern, als es soweit war. „Wir tauschen uns oft über Trainingseinheiten aus, das ist sehr schön“, erzählt Braunschweig. Kürzlich waren die beiden gemeinsam im Trainingslager und konnten abends noch eine Runde Tischtennis spielen. „Das motiviert uns gegenseitig, wir sind sehr stolz aufeinander.“ Das sei aber nicht immer so gewesen, erinnert sich Braunschweig, früher habe es zwischen ihnen viel Konkurrenz gegeben. „Ich habe schon zeitig Medaillen gewonnen, da war mein Bruder manchmal traurig.“ Braunschweig versuchte seinen Bruder damals zu unterstützen, ihm Mut zuzusprechen, wenn es mal nicht so gut lief. „Mittlerweile hat es sich gelegt, weil wir viel darüber gesprochen haben und beide auf hohem Niveau schwimmen.“

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Aber nicht nur sein Bruder teilt seine Leidenschaft fürs Schwimmen, sondern auch seine Freundin Pauline Opitz. Vier Jahre lang trainierten die beiden im selben Team und fuhren gemeinsam ins Trainingslager. Wenn sie zusammen sind, dann gibt es aber auch andere Themen als das Schwimmen, zum Beispiel Fotografie oder Football. Seit Opitz mit dem Schwimmen aufgehört hat, sehen die beiden sich ohnehin deutlich weniger. Das könne ganz schön herausfordernd sein, meint Braunschweig, manchmal vermisse er die Zeit, als sie noch im selben Team waren. Seine Freundin unterstützt ihn aber weiterhin beim Sport, so auch bei der IDM, wo sie zum Auftakt dafür zuständig war, Fotos zu machen.

Am Wochenende werden Braunschweig und Opitz wohl auch viel Zeit mit Freund*innen aus Italien und Frankreich verbringen, die Braunschweig in Tokio kennengelernt hat. Vorausgesetzt natürlich, dass ihre Tests negativ ausfallen und die Gesichtserkennung ihnen das „Go“ gibt.