Mit aller Macht: Der zweite Aufritt der Kunstmesse Paris+
Es war zu erwarten, dass die angespannte Situation im Nahen Osten die Kauflaune trübt. Rechnet man Inflation, den Anstieg der Zinssätze und den Krieg in der Ukraine dazu, erstaunten dann doch die übervollen Gänge und das hektische Treiben auf der jungen Messe Paris+ par Art Basel. Offenbar fällt es dem Pariser Kunstmarkt auf seinem Höhenflug gerade leicht, den Sorgen der Welt den Rücken zu kehren.
Der Start an dem für VIPs reservierten ersten Tag war jedenfalls fulminant. Nicht alle der 154 Galerien, darunter 60 in Frankreich ansässige, konnten sich über große Deals freuen. Es gab jedoch so viele davon, dass sich eine Machtverschiebung zwischen Paris und London konstatieren lässt; zumal an vielen Ständen zu hören war, es seien mehr US-amerikanische Sammlerinnen und Sammler an die Seine gekommen als vergangene Woche zur Kunstmesse Frieze an die Themse.
Mehr los als in London vergangene Woche
Bestätigen kann das ein Händler wie Pace aus New York. Die Galerie hatte ein Rothko-Gemälde von 1956 im Angebot, das seit über drei Jahrehnten nicht mehr in der Öffentlichkeit zu sehen war und jetzt für 40 Millionen US-Dollar angeboten wird, während in der Pariser Fondation Louis Vuitton gerade eine Retrospektive des Malers stattfindet. Kein Wunder also, dass Delphine Arnault, die Tochter des reichsten Mannes Frankreichs und LVMH-Eigentümers Bernard Arnault, gesichtet wurde, wie sie, flankiert von Leibwächtern, um das Gemälde kreiste..
Dieselbe Beobachtung einer starken amerikanischen Sammlerpräsenz machte David Zwirner. Seine Galerie erwirtschaftete am ersten Tag 20 Millionen US-Dollar und trumpfte auch gleich mit dem höchsten gemeldeten Verkauf auf: einem Gemälde von Kerry James Marshall von 2023 für sechs Millionen Dollar. Natürlich meldete sich auch die Mega-Galerie Hauser & Wirth zu Wort, die gerade im ersten Arrondissement eine weitere Dependance eröffnet hat. Die Messe war kaum eröffnet, da verkündete sie bereits einen ausverkauften Stand mit 17 Werken; darunter ein Porträt von George Condo für 2,3 Millionen Dollar und das Gemälde „Nature of Space“ von Mark Bradford für 1,8 Millionen Dollar.
2024 wird die Messe noch mehr Platz bekommen
Eine deutsche Galerie, die es frisch in die französische Kapitale gezogen hat, ist Thomas Zander aus Köln. Er hat Räume in Saint-Germain-des-Prés in der Rue Jacob 6 bezogen. Auf der Messe zeigt er Arbeiten von Ed Ruscha, Luc Tuymans, Joanna Piotrowska oder Victor Burgin im Gepäck, dem das Museum Jeu de Paume gerade eine Ausstellung widmet.
Die Paris+ findet zum zweiten und letzten Mal im temporären Grand Palais Éphémère statt. 2024 wird sie in das sanierte Grand Palais umziehen und kann im neuen Quartier dann sowohl mehr Aussteller aufnehmen als auch den Teilnehmern größere Stände anbieten.
Galerist Kamel Mennour, einer der etabliertesten Galeristen der Stadt, ist sicher, dass beides funktioniert: „Die Konzentration internationaler Sammler, Kuratoren und Akteure der Kunstwelt ist extrem hoch und anregend.“ Wie zum Beweis spazieren Max Hollein, Klaus Biesenbach, Katharina Grosse und Uli Sigg an seinem Stand vorbei. Zu den Werken, die Mennour verkaufe könnte, zählen das Ölgemälde „Dialogue“ von Lee Ufan für 800.000 Euro oder die Skulptur „Matter-Mind“ von Alicja Kwade für 160.000 Euro.
Blumen wie von einem anderen Planeten
Wagemutige stöbern im Sektor der „Galerie Émergentes“ und an den Ständen weniger etablierten Galerien, um Entdeckungen zu machen. Etwa bei Christian Berst aus Paris, der mit der Solo-Präsentation der 1986 in Prag verstorbenen Anna Zemánková ein Highlight gelingt. Die tschechische Autodidaktin entdeckte nach einer Depression im Zeichnen eine Ressource als Parallelwelt. Sie glaubte, magnetische Kräfte nutzen zu können, die für sie nicht steuerbar waren.
Das sieht man ihren exotischen Pflanzen an, die von einem anderen Planeten zu stammen scheinen – ein ganz eigenes botanisches Universum, das das Publikum sogleich fesselte: Zwei Drittel der ausgestellten Werke waren schnell zu Preisen von jeweils 40.000 Euro verkauft. Wenige Schritte weiter weicht ein weiterer Stand vom klassischen Erscheinungsbild der Haupthalle ab. Die Galerie PPOW aus New York, einer von sechs neuen Ausstellern, setzte ihren fotografischen Schwerpunkt auf die Beziehung zwischen den Künstlern und Liebenden Peter Hujar und David Wojnarowicz – wohl ein Echo auf die Ausstellung „Over the Rainbow“ im Centre Pompidou, die sich auf die Kämpfe von LGBT+-Künstlern im 20. Jahrhundert konzentriert.
Es sind Kämpfe, die auch die Galerie Marfa aufgreift. 2015 von Joumana Asseily gegründet, vertritt sie auf der Messe die aktuelle Kunstszene Beiruts. Zu sehen ist ein neues Werk des Fotografen und Filmemachers Mohamad Abdouni, das queere Gemeinschaften im arabischen Raum dokumentiert. Dabei generiert er mit KI aus Archiven neue Bilder. Es stelle sich die Frage, so Asseily, ob die so generierten Geschichten und Fotos weniger relevant als ihre Quellen seien. Auch wenn offen bleibt, wer bei einem „Gemeinschaftswerk“ wie diesem die Fäden zieht, steigern Arbeiten wie diese die Relevanz der Paris+ allemal.