Mehr Chancen, weniger Tore: Die schräge Serie der Eisbären gegen Straubing
Wer immer ohne Kenntnis des Endergebnisses Serge Aubin am Sonntag nach dem Spiel seiner Eisbären in Straubing gelauscht hat, der konnte sich eigentlich sicher sein, dass die Berliner just ins Finale der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) gerauscht sind. Der Berliner Trainer sprach nämlich nach dem vierten Duell in der Viertelfinalserie gegen die Niederbayern: „Das war unser bestes Spiel in der Serie.“ Mag sein, Glückwünsche zum Einzug ins Finale gab es für die Eisbären aber trotzdem nicht. Denn nach einem auf den ersten Blick starken Spiel verloren sie erstmals gegen die Tigers und führen nun nur noch 3:1 in der Serie.
Das ist an sich für die Berliner noch nicht der nahende Untergang. Sie sollten sich zwar nicht auf dem historischen Fakt ausruhen, dass noch nie in der Geschichte der Liga ein Team einen 0:3-Serienrückstand aufgeholt hat. Aber sie haben nun am Mittwoch Heimvorteil und da sollten sie sich gegen den wackeren Gegner durchsetzen können. Dass sie an sich die spielerisch stärkere Mannschaft sind, heißt allerdings wenig.
Denn spannenderweise hat in der Serie bislang immer das Team verloren, das aggressiver und offensiver agiert hat. Straubing lag in den ersten drei Spielen in der Torschussstatistik jeweils vorn (28:18, 64:46 und 29:20) und verlor dreimal. Am Sonntag bei Spiel vier in Straubing nun lagen die Eisbären vorn, was die Schüsse aufs Tor betraf (33:25) und verloren.
Insofern ist es spannend, was in Spiel fünf am Mittwoch in Berlin passiert. Straubings Trainer Tom Pokel könnte sein Team mal etwas passiver und auf Konter lauernd agieren lassen. In jedem Fall hat sich die Maßnahme, den Torwart in der Serie (Hunter Miska für Florian Bugl) schon wieder zu wechseln, am Sonntag ausgezahlt: Viel kann man eben nicht ändern, wenn man den Gegner alle zwei Tage wiedersieht, aber jede Änderung kann einen Vorteil bringen für das zurückliegende Team.
Tom Pokel hat nach den ersten drei Niederlagen in der Play-off-Serie gegen die Berliner übrigens rhetorisch ähnlich aufgetrumpft wie Aubin am Sonntag und die Leistung seines Teams überschwänglich gelobt, vor allem das Chancenplus: „Nennt mich einen Crazy Americano, aber die drei Spiele hätten auch anders ausgehen können.“
Die Tore würden schon noch kommen, hat der US-Amerikaner nach Spiel eins gar nicht so verrückt gesagt, bei so vielen Chancen. Sie fielen dann aber erst in Spiel vier zur rechten Zeit, dem Spiel mit den wenigsten Chancen für Straubing.
Nun ließe sich sagen, dass alle vier Spiele der Serie jeweils unverdiente Verlierer hatten, die unter ihren Möglichkeiten geblieben sind, mit PDO-Werten, die sie ja in Nordamerika gerne bei der statistischen Analyse heranziehen, klar unter 100. Diese Zahl für ein Team errechnet sich, indem Schuss-Effizenz (wie viele der Schüsse aufs Tor landen im Tor) und Fangquote (des eigenen Torwarts) addiert werden, allerdings nur beim Spiel fünf gegen fünf.
Alle Zahlenspiele sind freilich müßig, wenn die Nerven nicht mitspielen. Insofern wird es wohl am Mittwoch spannend; es steht 3:1 für die Eisbären und in der anderen Halbfinalserie 3:1 für Bremerhaven gegen Meister München. Dort hat übrigens auch am Sonntag das Team mit mehr Schüssen aufs Tor verloren.
Nach dem 2:3 der Münchner sagte Angreifer Patrick Hager: „Es ist bitter, so zu verlieren. Wir haben uns genug Chancen heraus gespielt, um selbst ein 0:3 wettzumachen.“ Ähnliche Worte wählte auch Aubin nach der Niederlage der Eisbären: „Wir hatten genug Torchancen, hätten nur mehr nutzen können.“
Aber so ist es eben im modernen Eishockey, wer das Spiel macht, siegt oft nicht. Bei einem 1:3-Serienrückstand sieht es übrigens anders aus als bei einem 0:3-Rückstand, der wurde schon aufgeholt in der DEL-Geschichte. Zuletzt von den Kölner Haien im Viertelfinale 2019 gegen Ingolstadt.