Kein öffentlich-rechtlicher Sender will die WM zeigen: Ist der Frauenfußball in Deutschland nichts wert?
Wenige Wochen vor dem Beginn der Fußball-WM der Frauen in Australien und Neuseeland steht immer noch nicht fest, ob – und wenn ja, wo – das Turnier im deutschen Fernsehen übertragen wird. ARD und ZDF haben sich mit der Fifa bislang nicht über einen angemessenen Betrag für die Übertragungsrechte einigen können. In unserer Reihe „3 auf 1“ analysieren Expert:innen, was das über den Stellenwert dieses Sports hierzulande aussagt. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.
Der Frauenfußball braucht mehr Sichtbarkeit
Joachim Huber ist verantwortlicher Redakteur für Medien beim Tagesspiegel. Er sagt: Der Wert des Frauenfußballs muss anerkannt werden.
Natürlich hat der Frauenfußball in Deutschland einen Stellenwert, sportlich, gesellschaftlich, politisch. Die Frage ist nur, wie hoch der Stellenwert ist, wenn er in Cent und Euro dargestellt werden muss. Denn um nichts anderes geht es im Poker zwischen dem Weltfußballverband Fifa und den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD/ZDF um die TV-Rechte an der bevorstehenden Fußball-WM der Frauen. Nach den bisher kolportierten Zahlen verlangt die Fifa um die zehn Millionen Euro, ARD/ZDF bieten um die fünf Millionen Euro.
Bislang wurde die Frauen-WM immer mit der Männer-WM mitverkauft. Quasi als Beifang, quasi gratis, so gering war der Stellenwert. Damit ist Schluss, die Fifa vermarktet das Turnier erstmals als eigenes Produkt. Was die gestiegene Bedeutung dieses Sports unterstreicht. Jetzt gilt es, einen akzeptablen Preis auszuhandeln. Für die Männer-WM in Katar haben ARD und ZDF 210 Millionen Euro bezahlt. Da sollen vielleicht acht Millionen Euro für den Wettbewerb in Australien und Neuseeland zu viel sein?
Für weiteren Aufschwung braucht der Frauenfußball Sichtbarkeit im Fernsehen. Das weiß die Fifa, darum muss sie ihren Preis senken. Das wissen ARD/ZDF, darum müssen sie ihren Preis erhöhen. Wer permanent vom Stellenwert spricht, der muss diesen anerkennen – in Cent und Euro und Fernsehbildern.
Es geht um eine vergleichsweise läppische Summe
Inga Hofmann ist Redakteurin im Sportressort des Tagesspiegels und beim Queerspiegel. Sie sagt: Das Gefeilsche um die TV-Rechte ist ein Armutszeugnis.
Es ist ein Armutszeugnis. Seit Wochen streiten ARD/ZDF und Fifa über die Fernsehrechte der WM. Kein frei empfangbarer Sender ist bereit, zehn Millionen Euro für die Übertragung zu zahlen. Dabei handelt es sich um eine läppische Summe im Vergleich zur Männer-WM im vergangenen Jahr.
Die Debatte zeigt in erster Linie, dass bei den Männern und Frauen ganz unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden. Als die WM 2022 in Katar ausgetragen wurde, gab es zahlreiche Forderungen, das umstrittene Turnier nicht zu übertragen. Zumindest in Deutschland stand das jedoch nie ernsthaft zur Debatte – trotz der massiven Kritik an der Menschenrechtslage im Ausrichterland.
Beim Turnier in Australien und Neuseeland hingegen steht der Sport im Mittelpunkt, und wie groß das Interesse an den Spielen der deutschen Fußballerinnen ist, wurde im vergangenen Sommer bei der Fußball-EM deutlich: Rund 18 Millionen Menschen schalteten beim Finale ein. Zu Recht wies die frühere Profi-Fußballerin Tugba Tekkal zuletzt darauf hin, dass die WM während der Sommerferien stattfindet – eine tolle Chance für junge Mädchen, ihre Idole mitzuverfolgen und ein wichtiger Schritt in Richtung Sichtbarkeit von Frauen im Sport.
Es gibt auch noch andere Sender
Jörg Leopold ist stellvertretender Leiter des Tagesspiegel-Sportressorts. Er sagt: Nicht jedes Sportevent muss bei den Öffentlich-Rechtlichen laufen.
ARD und ZDF stehen mal wieder in der Kritik. Die öffentlich-rechtlichen Sender zögern seit Wochen, die Forderung der Fifa zu erfüllen und zehn Millionen Euro für die Übertragungsrechte der Fußball-WM zu berappen. Das kann man kritisieren, vor allem vor dem Hintergrund, wofür die Sender sonst so Geld ausgeben – gerade im Sportbereich. Und erst recht, wenn man die hanebüchenen Erklärungen dafür hört, warum eine Fußball-WM der Frauen so viel weniger wert sein soll als ein Turnier der Männer.
Andererseits ist es einfach zu billig, hier gleich wieder die Keule rauszuholen. Neben ARD und ZDF gibt es auch noch andere Sender, private zum Beispiel oder reine Sportsender. Der Aufschrei, dass die Öffentlichen immer alles zeigen müssen, verkennt die Tatsachen. Als die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft gerade bei der WM sensationell das Endspiel erreichte, lief das auch im Privatfernsehen – warum also nicht auch die Spiele der Fußballerinnen?
Ideal wäre ohnehin eine Aufteilung der Spiele, die der deutschen und das Endspiel bei ARD und ZDF, der Rest woanders. Und das darf gern auch so für die Turniere der Männer oder andere große Sportevents gelten. Den Gebührenzahler würde es freuen.