Gold, Silber und Bronze für die Literatur: Tabelle zum Ausschneiden

Man kennt das vom Fußball, von Fans in der Regel mittelmäßiger Vereine, solchen, die nie für die Meisterschaft in Frage kommen: Wenn die Saison beginnt und der VFL Bochum oder Mainz 05 nach zwei gewonnenen Spielen an der Tabellenspitze stehen, dann ist immer vom „Tabelle ausschneiden“ die Rede. Und rahmen und an die Wand hängen.

Ähnliches müsste man diese Woche machen beim Blick auf die „Spiegel“-Bestsellerliste, Abteilung Belletristik Hardcover. Kein Sebastian Fitzek oben in Sicht, keine Ildiko von Kürthy, keine Nele Neuhaus, sondern auf Platz eins Haruki Murakami mit seinem Roman „Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“, auf Platz zwei Iris Wolff mit ihrem Roman „Lichtungen“, auf Platz drei Bodo Kirchhoffs Roman „Seit er sein Leben mit einem Tier teilt“.

Mit anderen Worten: Literatur, zumindest keine „Schnelldreher“, wie es im Buchmarktjargon heißt, kein Lesefutter. Und allesamt schon in der vierten Woche auf der Liste, Murakami in der fünften.

Großes Sprachgefühl

Es ist dann vor allem die Ballung dieser drei Bücher an der Spitze, die erstaunlich ist, weniger die jeweiligen Autoren. Murakami ist seit langem Stammgast in den Charts, seine Fangemeinde ist eine nicht nur gewachsene, sondern auch eine treue, unbedingte. Überdies wird der japanische Schriftsteller mit dem Hang zum amerikanischen Erzählen seit Jahren für den Literaturnobelpreis gehandelt.

Iris Wollf wiederum hatte vor vier Jahren schon mit ihrem Roman „Die Unschärfe der Welt“ für Aufsehen gesorgt, mit ihrem Sprachgefühl und ihrer leisen, poetischen Erzählweise, und „Lichtungen“ macht da keine Ausnahme, ist ähnlich gut. Trotzdem ist die Platzierung eine große Überraschung, sie beweist aber, dass es auch für diese Art von Literatur mit dem Schauplatz Rumänien insbesondere vor dem Fall der Mauer ein größeres Publikum gibt.

Und Bodo Kirchhoff? Darf man, kleiner Griff in die Mottenkiste, einen „Altmeister“ nennen. Ein Autor in seinen Siebzigern, seit Jahrzehnten dabei, hatte mit „Infanta“ 1990 seinen ersten Bestseller. Zu einer Zeit, da noch viel mehr gelesen wurde und es große Auflagen brauchte, um in die Charts zu kommen.

Autor vom „Schundroman“

Kirchhoff hat so einige Wellentäler durchlaufen. Er schrieb Zeugs wie den „Schundroman“ oder „Erinnerungen an meinen Porsche“, veröffentlichte später mit „Die Liebe in groben Zügen“ und „Verlangen und Melancholie“ wiederum großartige Romane und bekam für die eher schwache Novelle „Widerfahrnis“ 2016 den Deutschen Buchpreis.

Das wirkte wie die Krönung einer schriftstellerischen Laufbahn. Aber von wegen: nun also dieser Erfolg mit dem Roman über einen sprichwörtlich auf den Hund gekommenen Künstler. Das kann man Konstanz nennen, Kirchhoff hat sich sein Publikum erschrieben.

Was aber sagen Fußballer noch sehr gern: Die Tabelle ist nur eine Momentaufnahme. Also her mit der Schere und die Buchcharts von dieser Woche ausgeschnitten.