„Eine Welt ist verloren gegangen“: Filmemacher Michael Verhoeven im Alter von 85 Jahren gestorben
Der deutsche Filmemacher Michael Verhoeven („Die weiße Rose“) ist tot. Der Ehemann von Schauspielerin Senta Berger starb bereits am vergangenen Montag im Alter von 85 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit, wie die Familie am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in München mitteilte.
„Eine Welt ist verloren gegangen. Es ist unvorstellbar schmerzhaft“, sagte sein Sohn, der Regisseur und Drehbuchautor Simon Verhoeven. Gegenüber der „Bild“-Zeitung erklärte Simon Verhoeven, dass sein Vater bereits beigesetzt worden sei.
Er war ihr ganzes Glück und sie seins.
Simon Verhoeven über die Ehe seiner Eltern
In wenigen Wochen, am 13. Juli, wäre der Regisseur, Produzent und Schauspieler mit der großen Neugier aufs Leben und andere Menschen 86 Jahre alt geworden. Eine lange Zeit – und doch wieder nicht, wie es Verhoeven vergangenen Sommer anlässlich seines runden Geburtstages empfand. „Wie kurz doch 85 Jahre sind und wie reich und voll mein Leben war und ist“, sagte er damals.
Claudia Roth würdigt Verhoevens Arbeiten
Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat den verstorbenen Regisseur gewürdigt. Mit ihm „verlieren wir einen der verdienstvollsten Regisseure, dessen Oeuvre zu den bedeutendsten und politisch engagiertesten der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte zählt“, erklärte Roth am Freitag in Berlin.
Mit seinen Filmen habe sich der Regisseur immer wieder mit gesellschaftspolitischen Fragen und der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandergesetzt, sagte Roth: „Michael Verhoeven zählte damit zu jenen couragierten Filmschaffenden, die stets an das demokratische Gewissen unserer Gesellschaft appellierten. Seine eindringlichen filmischen Meisterwerke gaben nicht zuletzt wichtige Denkanstöße für die politische Entwicklung unseres Landes.“
Verhoeven studierte zunächst Medizin
Verhoeven kam 1938 in Berlin zur Welt und wuchs in München auf. Sein Vater war der Regisseur Paul Verhoeven, die Mutter die Schauspielerin Doris Kiesow. Neben einem Medizinstudium und der Tätigkeit als Arzt arbeitete Verhoeven in den 50er und 60er Jahren als Schauspieler, ehe er Ende der 60er Jahre als Filmregisseur begann.
Erste Erfahrungen als Schauspieler sammelte er zunächst in kleinen Theaterstücken, in den 1950er Jahren dann in Filmen wie „Das fliegende Klassenzimmer“ oder „Der Pauker“ mit Heinz Rühmann.
Verhoeven drehte ernste und unterhaltsame Formate
Sein früher Film „Paarungen“ erhielt den Bundesfilmpreis. Später drehte er etwa „Gefundenes Fressen“ mit Heinz Rühmann und Mario Adorf.
Verhoeven setzte sich in seinem Werk intensiv mit dem Nationalsozialismus auseinander, etwa mit dem Kinofilm „Die weiße Rose“ aus dem Jahr 1982 über den Widerstand von Sophie Scholl und Gleichgesinnten.
Die Satire „Das schreckliche Mädchen“ (1990) über Versuche, Verbrechen der Nazis zu vertuschen, wurde für den Oscar nominiert. Der Film über eine Schülerin in der Nazizeit erhielt darüber hinaus den British Academy Award.
Verhoeven drehte auch Unterhaltungsformate wie die ZDF-Serie „Die schnelle Gerdi“ (1989) mit seiner Ehefrau Senta als Münchner Taxifahrerin. 2016 war er Co-Produzent der erfolgreichen Komödie „Willkommen bei den Hartmanns“ aus dem Jahr 2016, bei der sein Sohn Simon Regie geführt hatte. Zudem drehte er Fernsehfilme wie „Schlaraffenland“ oder „Mutters Courage“.
Verhoeven und Senta Berger seit 1966 verheiratet
Verhoeven und Berger waren seit 1966 verheiratet. Im Jahr 1963 kamen Berger und Verhoeven für Dreharbeiten zur Komödie „Jack und Jenny“ zusammen, bei denen es auch zu einer Kussszene zwischen den beiden kam. Ihre tiefe Liebe sollte schließlich mehr als 60 Jahre andauern.
Verhoeven arbeitete außer mit seiner Frau auch mit seinem Sohn Simon zusammen, der Regisseur des Kinoerfolgs „Willkommen bei den Hartmanns“ war – der Vater war Koproduzent des Films. Auch Sohn Luca Verhoeven ist als Schauspieler und Produzent tätig.
Verhoeven lebte zuletzt mit Senta Berger im Münchner Vorort Grünwald. Dass das Eheleben nicht immer einfach war, stellte Berger einmal in einem Interview klar. „Der Alltag nagt an jedem Paar, lächerliche Kleinigkeiten kommen immer wieder zur Sprache, obwohl man weiß, man kann den anderen nicht ändern“.
Die Grundfesten der Beziehung erschütterte das aber nicht. „Wir haben uns gefunden. Es scheint, wir waren füreinander bestimmt“, zeigte sich Berger sicher. Eine offene, herzliche Atmosphäre mit guter Streitkultur herrschte daheim in Grünwald, so scheint es.
Das legen auch die Abschiedsworte Simon Verhoevens an den Vater nahe: „Er war unser Held, ohne jemals ein Held sein zu wollen. Meine Mutter und er sind über 60 Jahre lang ihren Weg gemeinsam gegangen. Er war ihr ganzes Glück und sie seins.“ (dpa, AFP, Tsp)