Die Fernsehwelt ohne den Kultursender 3sat? : „Lasst uns das nicht tatenlos hinnehmen“
Könnte es sein, dass die Rundfunkpolitik Bedeutung und Akzeptanz des Kultursenders 3sat unterschätzt? Nach Plänen der Rundfunkkommission der Bundesländer sollen die Inhalte von 3sat ja teilweise oder vollständig im deutsch-französischen Kulturkanal Arte aufgehen. Für den Erhalt des von ARD und ZDF, der Schweizer SRG SSR und dem österreichischen ORF getragenen Senders ist auf der Plattform innn.it eine Petition gestartet, die bis Samstagabend fast 45.000 Unterzeichner gefunden hat.
Katja Riha hat die Petition initiiert
Die Petition ist an die Rundfunkkommission, die Ministerpräsidentenkonferenz sowie an Kulturstaatsministerin Claudia Roth gerichtet. Initiiert wurde sie von Katja Riha, die als Fernsehjournalistin und mit ihrer Produktionsfirma Can Do Berlin auch regelmäßig für den Sender sowie dessen tägliches Magazin „Kulturzeit“ tätig ist. „Kein Kulturmagazin im deutschsprachigen Raum hat solch einen breiten Kulturbegriff wie die ,Kulturzeit‘. Doch nun soll es mit diesem Journalismus ein Ende haben – 3sat könnte schon bald Geschichte sein“, schreibt Riha und fordert im Petitions-Text: „Lasst uns das nicht tatenlos hinnehmen. Wir brauchen 3sat als Plattform für kritische Debatten, als Bühne für kreative Vielfalt und als Stimme der europäischen Kultur.“
Riha gibt sich „fest davon überzeugt, dass Kultur, Kunst, aber auch Bildung gerade in diesen Zeiten einen festen Platz in der deutschen Medienlandschaft haben müssen. Unsere Gesellschaft braucht Kunst, Theater, Kino, Literatur, Musik, Tanz, Comedy und all die vielen kreativen Menschen, die uns auf 3sat täglich bereichern, irritieren und nachdenken lassen.“
Zu den Erstunterzeichnerinnen und -unterzeichnern gehören die Musiker Jan Delay und Wolfgang Niedecken, der Schauspieler Ulrich Matthes die Schriftstellerinnen Sibylle Berg und Elke Heidenreich, der Satiriker, Journalist und Politiker Martin Sonneborn sowie die Künstler Marcel Odenbach, Björn Melhus und der FDP-Politiker Gerhart Baum.
Die Pläne der Bundesländer zur weitgehenden Auflösung des Kultursenders 3sat stoßen auch andernorts auf Protest. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte am Freitag, das Vorhaben ersatzlos zu streichen. 3sat-Moderator Gert Scobel sprach von einer „populistischen Idee“.
Der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster erklärte: „Eine Zusammenlegung von zwei Sendern, die nicht zusammenpassen, führt nicht zu deren Stärkung, sondern bereitet den Weg in die mediale Bedeutungslosigkeit.“ Darüber hinaus sei mit der Vernichtung qualitativ hochwertiger journalistischer Arbeitsplätze zu rechnen. „Das können wir nicht akzeptieren.“
In einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ betonte Moderator Gert Scobel, in der aktuellen politischen Situation sei fundierte Information besonders wichtig. Im Gegensatz zu den meisten Talkshows könne in den Kultursendern noch „erlebt werden, wie tatsächlich öffentlich und miteinander gedacht wird“. Es sei „eine populistische Idee, abschalten zu wollen, was auf den ersten Blick sperriger erscheint als Mainstream“, kritisierte der Journalist. Bei dem Vorhaben der Länder werde zudem vergessen, dass 3sat weitaus mehr als sei als Kultur, schrieb Scobel mit Blick auf Sendungen über Bildung, Wissenschaft oder Philosophie.
3sat-Koordinatorin Natalie Müller-Elmau hatte sich am Mittwoch „ein bisschen überrascht“ über die Pläne gezeigt. Ihr fehle noch „die Fantasie, wie das alles funktionieren soll“, sagte sie dem Deutschlandfunk. Ein Tag habe nur 24 Stunden, und sowohl Arte als auch 3sat hätten ausreichend Programm für 24 Stunden. Was dann wegfalle, sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar.
Die Senderchefin verwies auch darauf, dass 3sat ein Drei-Länder-Sender sei. „Das heißt, wir in Deutschland können das auch alles überhaupt gar nicht allein entscheiden.“
Der ORF betonte, 3sat sei für den österreichischen Sender ein „wichtiges Programmfenster“ in den deutschsprachigen Raum. In den kommenden Wochen werde der Sender „in einen intensiven Austausch“ mit den Intendanten der Partneranstalten treten, sagte eine ORF-Sprecherin dem epd: „Essenziell für den ORF ist dabei, dass die hochqualitativen heimischen TV-Produktionen weiterhin einem internationalen Publikum zugänglich bleiben.“
Zugleich betonte der ORF, dass der TV-Sender 3sat, zu dem man 25 Prozent des Programms beisteuere, für den ORF seit 40 Jahren ein wichtiges Programmfenster in den deutschsprachigen Raum sei. Theater, Oper, Ballett, Fernsehfilme, Konzertübertragungen, Informationssendungen, Magazine und Dokumentationen aus Österreich werden demnach via 3sat einem internationalen Publikum zugänglich gemacht. „Aber auch das österreichische Publikum schätzt das deutsche und Schweizer Kultur- und Informationsangebot, das in Österreich via 3sat konsumiert werden kann, sehr“, betonte der Sender.
Die Bundesländer präsentierten vor einer Woche einen Entwurf für eine Rundfunkreform von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Nichts davon ist schon in trockenen Tüchern. Gegenwärtig läuft eine Anhörungsphase, danach müssten alle Ministerpräsidenten und alle Landtage zustimmen, bevor die Rundfunkreform wie von den Ländern anvisiert im Sommer 2025 in Kraft treten könnte.
Der Sender 3sat wird in diesem Jahr 40 Jahre alt. Das Programm wird von allen 3sat-Partnern beigesteuert: Von ZDF und ARD kommen nach 3sat-Angaben jeweils 32,5 Prozent des Programms, vom ORF 25 Prozent und von der Schweizer SRG mit dem Sender SRF zehn Prozent der Sendungen. Schwerpunkte sind Kultur, Bildung und Wissenschaft. Sitz von 3sat ist Mainz. Arte ist ein deutsch-französischer Sender, strebt aber schon seit längerem eine breitere Öffentlichkeit in Europa an und will seine Plattform entsprechend ausbauen. (mit epd/dpa)