Der koschere Schrimp : Wenn jüdische Identität mitgedacht wird – und man sich trotzdem falsch versteht

Ich bin mit meiner Hündin Lola im Grunewald spazieren. Sie ist ungeduldig, da wir uns schon ganze fünf Minuten nicht weiterbewegen, weil sich die Kordel meines Handys in der Leine verknotet hat. Plötzlich höre ich meinen Namen „Deeeebooraaa!“
Es ist eine ehemalige Kollegin. Wir smalltalken ein wenig darüber, was wir in den letzten Jahren so getrieben haben. Sie fragt, wie alt mein Hund sei. Lola ist neun. Sie sähe viel jünger aus. Sie habe ein Kaninchen zu Hause, das bereits acht ist und auch noch aussieht wie ein Baby.
Ich gehe davon aus, dass wir zu Haustier-Talk übergegangen sind und erzähle, dass ich Garnelen zu Hause habe. Meine Gesprächspartnerin schaut mich sehr verwirrt an. Es gibt eine lange Pause, bis sie schließlich zögerlich fragt: „Du bist doch jüdisch, oder?“ Und setzt fort: „Ich glaube, ich habe mal gehört, dass Garnelen nicht koscher sind?“ Ich muss lachen: „Ich esse sie ja nicht …“
Jetzt wirkt sie sichtlich unbehaglich. Es ist offensichtlich, dass sie nachdenkt. Dann schaut sie auf den Hund und fragt: ob Lola die Garnelen denn möge und ob sie kalt seien. Meine lächelnde Antwort: „Ich glaube, Lola bekommt die gar nicht mit“. Ich wuschele Lola über den Kopf und sage mit einer seltsamen Stimme: „Dü woißt gar nich dos die da süünnd, stimmt’s?“
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Damit wird schlagartig klar, dass wir im Grunewald zwei sehr unterschiedliche Unterhaltungen geführt haben. Ich war Teil eines Gesprächs, in dem wir uns durchgängig über Haustiere unterhalten haben. Sie befand sich in einem Gespräch, in dem ihr Gegenüber aus dem Nichts plötzlich angefangen hat über Meeresfrüchte zu reden. Ich schätze, das Gespräch wurde nicht seltsam, weil sie sich plötzlich daran erinnert hat, dass ich jüdisch bin. Auch mal ganz schön …