Der Band-Leader: Zum Tod von Robbie Robertson
Das Line-up ließ selbst das Woodstock-Festival verblassen. Joni Mitchell, Neil Young, Eric Clapton, Muddy Waters, Van Morrison, Neil Diamond, Dr. John, Ringo Starr, Ron Wood und Bob Dylan natürlich standen 1976 beim Abschiedskonzert von The Band in San Francisco auf der Bühne. „The Last Waltz“: Martin Scorseses Film über dieses heute noch unglaublich stilvolle, berührende und angenehm chaotische Farewell gilt als der beste seiner Art. Und unter den glorreichen Fünf war Robbie Robertson so etwas die der Band-Leader.
Mit sechzehn auf der Bühne
Seine Biografie gleicht einer nordamerikanischen Saga. Geboren wurde er 1943 in Toronto. Sein Vater war jüdischer Abstammung, seine Mutter eine Mohawk, aufgewachsen im Six Nations Reservat in Ontario. Dort erlebte der kleine Robbie zum ersten Mal die Kraft und Schönheit der traditionellen Musik. Mit sechzehn, minderjährig, machte sich Robbie allein auf den Weg in die US-Südstaaten. Er bekam ein Engagement bei Ronnie Hawkins and the Hawks, einer Rockabilly-Truppe. Daraus sollte The Band erwachsen: Robbie Robertson, Levon Helm, Rick Danco, Richard Manuel und Garth Hudson.
Mit ihnen wurde Bob Dylan laut und elektrisch. 1965 und 1966 gingen sie auf Tour. Sie trieben sich gegenseitig an, provozierten das Publikum, das politische Folk-Songs hören wollte, und schufen in legendären, oft ausgebuhten Live-Auftritten vor allem in England einen Sound, der scharfkantiger war als später Heavy Metal und surrealer als viele bekiffte Songs der Sechziger.
Ego-Typ und Teamplayer
Wenn man über Robbie Robertson spricht, kommen automatisch andere Musiker ins Spiel. Er war trotz seines starken Egos ein Teamplayer. Dylan und die Band zogen in die alte Künstlerkolonie nach Woodstock, New York. In einem Haus im Wald entstanden die „Basement Tapes“, das amerikanische Songbook der Outlaws, Tagelöhner, Loser und Alltagsphilosophen. 1968 erschien das Debütalbum der Band, „Music from Big Pink“, benannt nach jenem Domizil, in dem sie sich vorübergehend ein kreatives Idyll geschaffen hatten, jenseits des Rock ‘n’ Roll-Zirkus, in den Robertson und seine Freunde immer wieder zu tief hineingerieten, mit Geldproblemen und Drogenexzessen und Depression.
Damals war fast jeder Song, den Robertson mit der Band schuf, sehr schnell ein Klassiker: „The Night They Drove Old Dixie Down“ hat der Kanadier mit dem Südstaatenherz geschrieben ebenso wie „The Weight“, das mit dem „Easy Rider“-Film berühmt wurde. Peter Fonda und Dennis Hopper auf ihren Bikes in der Wüste: Sie folgen dem Versprechen grenzenloser Freiheit und ewiger Jugend, während der Songtext bereits Dunkles, Gefährliches anschlägt, das am Wegrand wartet.
Robbie Robertson ließ die Saiten seiner Gitarre schwingen wie eine sanfte Peitsche. Er schöpfte aus dem Blues, dem Folk, der Rockmusik, aber da ist oft etwas eigenwillig Schräges, Umgebogenes in seinen Kompositionen, verstärkt durch die Orgeln und Bläser und Fiedeln der Band, die einem großen Orchester glich. In der Autobiografie „Testimony“ (2016) erzählt er minutiös all die Geschichten, die die Jahre von 1960 bis 1976 zur Epoche der Band formten. Es ist nicht zufällig auch die bedeutendste Phase der Pop-Musik im 20. Jahrhundert.
Erfolgreich als Solist
Sie alle machten solo weiter. Aber nur Robertson hatte seine Karriere danach fest in der Hand. Er veröffentlichte Alben unter seinem Namen und schrieb Musik für seinen Freund Martin Scorsese, für Filme wie „Casino“, „Shutter Island“, „The Irishman“ und zuletzt „Killers of the Flower Moon“, der Ende des Jahres herauskommen soll. The very last waltz. Am Mittwoch ist Robbie Robertson mit 80 Jahren im Kreis seiner Familie in Los Angeles gestorben.