Buthan schickt drei glückliche Sportler

Chimi Dema wurde als erste paralympische Athleten im Buthan ausgewählt.Foto: Bhutan Paralympic Committee

Die glücklichsten Menschen der Welt leben in Bhutan. Das Bruttonationalglück bezieht sich zwar ausschließlich auf das kleine Königreich zwischen Indien und Tibet, dennoch kann mit hoher Wahrscheinlichkeit gesagt werden, dass bei den Paralympics in Tokio drei ganz besonders glückliche Bhutaner und Bhutanerinnen den weißen Drachen zum ersten Mal auf ihren Trikots tragen werden. Im Bogenschießen geht Pema Rigsel an den Start, Chimi Dema und Gyeltshen Gyeltshen im Kugelstoßen.

„Soziale Inklusion ist ein Kernaspekt unserer nationalen Philosophie zum Glücklichsein“, sagt Namgyal Wangchuk, Chef de Mission des Paralympischen Komitees Bhutan, dem Tagesspiegel. Er erklärt, wie kraftvoll Sport sein kann, um bestehende Stigmata gegenüber Menschen mit Behinderungen aufzulösen.

Trainer Penjor Gyeltshen stellte sich vor die Fernsehkameras und sprach über die Paralympischen Spiele, auf den sozialen Medien wurde für den Sport geworben und Para-Sportfestivals organisiert: „Es war eine riesengroße Sache, ein paralympisches Fest! Behinderte und nicht behinderte Kinder nahmen gemeinsam Teil, Inklusion wurde gelebt.“ Sein Stolz und die Freude darüber ist über die 8500 Kilometer bis nach Berlin zu spüren, sein herzliches Lachen zeigt, wie sehr ihm die Thematik am Herzen liegt. 

Trainer wurden im Ausland ausgebildet

Das Nationale Paralympische Komitee von Buthan gründete sich 2017 mit dem Ziel, eine Delegation von Athletinnen und Athleten nach Tokio zu können. 40 Jahre zuvor hatte sich in Bhutan organisierter Sport erst etabliert. Namgyal Wangchuk führt es darauf zurück, dass westliche Konzepte sich seit den Sechzigern im Land etablierten und ein Hauptaugenmerk auf dem sozialen, wirtschaftlichen und infrastrukturellen Sektor gelegen hatte. Sport diente ausschließlich der Erholung. „Wir mussten von Grund auf beginnen, die Strukturen zu schaffen. Schon für nicht-behinderte Athletinnen und Athleten war alles nur rudimentär vorhanden, für unsere Para-Sportlerinnen und -Sportler war es noch herausfordernder.“

Von etwa 750 000 Bhutni haben etwa zwei Prozent eine Behinderung (Stand: 2017). Und diese circa 15 500 Personen sollten genauso in die Gesellschaft eingegliedert werden, weshalb es für die Regierung von besonderer Notwendigkeit war, auch im Sport die Vision einer wirklichen Gleichberechtigung zu schaffen.  

Dank all des Eifers und ihrer Vision von inklusivem Sport wurden die bürokratischen Hürden und Dokumentationsprozesse erfolgreich umgesetzt. Unterstützung gab es seitens des Asiatischen Paralympischen Komitees und den zahlreichen japanischen Partnerinnen und Partnern. Trainer Gyeltshen wurde von einer der japanischen Organisationen ausgebildet und konnte so seine Strategien optimieren und in Bhutan damit beginnen, die kleinwüchsigen Sportlerinnen und Sportler in das Wettkampfgeschehen einzuführen. Möglichst schnell möglichst viel Erfahrung auf internationalem Niveau zu sammeln war eine Grundvoraussetzung für eine Teilnahme an den diesjährigen Paralympics. Die kurze Zeit, die bis zu den Spielen blieb, wurde für Trainingslager und Wettbewerbe im Ausland genutzt. Wangchuk sagt, dass sie so von den weiter entwickelten Ländern lernen konnten, „alles mit dem Support vom NPC und der Regierung“.

 Ein nationales Umdenken im Lockdown

Die Aufregung im Team sei hoch, „wir sind dabei, Geschichte zu schreiben“, erzählt Gyeltshen. Die drei Para-Sportlerinnen und -Sportler seien mental resilient, wie viele Menschen mit Behinderung, laut Aussage des Chefs de Mission. Diese Stärke wird noch hilfreich sein, denn es wurde viel improvisiert. Die Athletinnen und Athleten seien noch jung, niemand hatte schon vorher einen sportgeförderten Hintergrund, zwei Jahre Zeit blieben nur, um ein Weltklasseniveau zu erreichen.

Zwei Jahre, in denen auch Bhutan von der Corona-Pandemie getroffen wurde. Zwei Lockdowns ließen den schweißtreibend aufgebauten Trainingsumfang wieder verschwinden, aber „wir konnten es auffangen“, sagt Gyeltshen. Die Verschiebung der Spiele schenkte ihnen Zeit. Und gab der Bevölkerung die Möglichkeit, stereotypisches Denken gegenüber Menschen mit Behinderung weiter aufzugeben.

„Mit weiteren Werbe- und Aufklärungsprogrammen und der Möglichkeit, seine Talente zu zeigen, ändert sich das Mindset der Leute. Eine immense Berichterstattung durch das NPC trägt zur Sensibilisierung bei. Gemeinsam mit der königlichen Regierung wurde nun ein nationaler Aktionsplan entwickelt, um Barrierefreiheit in der Öffentlichkeit zu schaffen. Wir sind hoffnungsvoll.“ Namgyal Wangchuk berichtet auch, dass bereits bemerkbar sei, wie nach und nach weitere Sportarten inklusiver werden und sich mehr Menschen dafür interessieren

Bhuddas Einfluss auf Tokio

 Auch die Teilnahme von Para-Bogenschießer Pema Rigsel, der am Freitag in den Wettbewerb startet, wird diese Entwicklung „definitiv beeinflussen, motivieren und ermutigen“. Wangchuk und Gyeltshen sprechen über die Historie des Bogenschießens in Bhutan. Der populärste Sport des Landes ist eine Lebensart. Der Legende nach hielt der indische Prinz Siddharta 600 v.Chr. um die Hand von Prinzessin Yosodhara an, indem er in einem Bogenschießwettbewerb durch seine Treffsicherheit als Sieger hervorging. Der Prinz wurde bekannt als Bhudda. Seitdem ist der Sport bis in jedes kleine Bergdorf vorgedrungen, dazu wird gesungen, getanzt, getrunken.

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Zwar gibt es signifikante Unterschiede im Regelwerk zwischen dem traditionellen und dem paralympischen Bogenschießen, aber weil „jeder bogenschießt, wird es uns definitiv helfen, wenn die Menschen unsere Para-Athleten bei den Spielen sehen.“ Gyeltshen und Wangchuk sind sich einig, dass es bei der Premiere ihres Landes darum gehe, zu inspirieren und zu motivieren. Als eine kleine Nation teilzunehmen, „hat einen hohen Stellenwert und Bedeutsamkeit für uns. Wir haben die Verantwortung, der Welt zu zeigen, dass wir hier sind, dass wir existieren.“

Nach den Spielen sollen Talentsichtungen folgen, um fortan auch Medaillen sammeln zu können. Glücklich wird man zwar auch mit einem weiten Blick über die Gipfel des Himalayas oder beim stillen Meditieren im Kloster Taktsang, dem „Nest des Tigers“. Doch eine weitere Stufe zum persönlichen Glück kann sicher auch genommen werden, wenn das Podium bei den Paralympischen Spielen erklommen werden kann.

Dieser Text ist Teil der diesjährigen Paralympics Zeitung. Alle Texte unserer Digitalen Serie finden Sie hier,