Mollig und rollig

Die Bajuwarisierung des Ostens schreitet voran. Jetzt kommt der Eberhofer Franz, vertreten durch seinen bis zur Unkenntlichkeit mit der Paraderolle verwachsenen Darsteller Sebastian Bezzel sogar schon nach Berlin, um kommende Woche Interviews zu geben und Fans des Niederkaltenkirchener Komödienstadls in den Kinos zu begrüßen. Wie konnte es nur soweit kommen?

An „Kaiserschmarrndrama“, der nunmehr siebten Verfilmung einer Provinzposse von Rita Falk liegt es jedenfalls nicht. Die ist – nomen est omen, wie der Lateiner sagt – ein rechter Schmarrn. Allerdings hat Regisseur Ed Herzog, der während ein Eberhofer im Kino startet, schon am achten namens „Guglhupfgeschwader“ schraubt, als Absolvent der Dffb einen Koffer in Berlin. Und Millionen von Kino- und Fernsehzuschauern haben den rustikalen Kosmos der 2013 mit „Dampfnudelblues“ gestarteten Krimikomödien inzwischen verinnerlicht.

Enzi Fuchs als Kittelschürzenoma

Inklusive Eisi Gulp als Alt-Hippie-Vater, Enzi Fuchs als Kochlöffel schwingender Kittelschürzenoma, Lisa Maria Potthoff als On-Off-Freundin Susi und Simon Schwarz als pedantischem Privatermittler Rudi, der dem Schlamper Eberhofer schlecht und recht beim Aufklären merkwürdiger Morde hilft.

Eine Fanveranstaltung also! Und als solche auch bei Qualitätsschwankungen von Story und Inszenierung unangreifbar.

Aber Obacht: „Kaiserschmarrndrama“ schwächelt anders als 2019 „Leberkäsjunkie“, der mit Eva Mattes als durchgeknallter Mooshammer-Bäuerin immerhin einen interessanten weiblichen Neuzugang aufbot.

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In „Kaiserschmarrndrama“, wird der Doppelmord an zwei Dorfbewohnerinnen absolut lieblos abgehandelt, was besonders bei Simone, dem Webcam-Girl, die sich den Netzvoyeuren als „mollig und rollig“ anpreist, einen schalen Nachgeschmack hinterlässt. Mollig und rollig, das passt auch bestens auf den Eberhofer Franz, der den familiären Tumulten auf dem heimischen Hof kaum weniger gleichgültig gegenübersteht als seinen Ermittlungsergebnissen.

Herz und Ernst zeigen Dorfpolizist und Geschichte erst, als es um Hund Ludwig geht, der diesmal – Achtung, Spoiler – zu den Abgängen zählt und Eberhofer sichtlich näher steht als Sohn Pauli.

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[In den Berliner Kinos: Kant, Cinemotion Hohenschönhausen, UCI Eastgate, UCI Mercedes-Platz, Zoo Palast]

Angesichts dieser ungewohnten Drehbuchtragik (Stefan Betz/Ed Herzog) hat die Regie auch gleich noch ein paar liebgewordene Standards geschleift, die sonst durch gebetsmühlenhafte Wiederholung erheblich zum Kultwert beitragen: keine Leberkässemmeln mehr bei Metzger Simmerl. Nur eine lakonische Autorunde um den Kreisverkehr. Nur eine absurd ausufernde, aber uninspiriert abgehakte Zecherszene im Wirtshaus Wolfi.

Der altlinke Krakeeler schlägt Spießeralarm

Immerhin hat Installateur Flötzinger, der darin als Aushilfs-Elvis wirkt, wie immer Ärger mit der überschießenden Libido. Und Vater Eberhofer schlägt als altlinker Krakeeler Spießeralarm, weil ein innerfamiliäres Doppelhaus-Neubauidyll den abgeranzten Hof bedroht.

Buddies. Eberhofer (Sebastian Bezzel), Birkenberger (Simon Schwarz) und das Laptop des Webcam-Girls.Foto: dpa/Constantin Film

Trotz inhaltlicher und stilistischer Ermüdungserscheinungen (keine Gaga-Verfolgungsjagden, kein Close-up-Gewitter aufgerissener Münder und versoffener Visagen) ertappt man sich immer wieder dabei, die grenzdebilen Skurrilitätenschau erheitert zu betrachten. Da wirken ähnliche Polarisierungskräfte wie bei Louis de Funès oder Mr. Bean.

Man weiß genau, welcher Blödsinn als nächstes passiert und bleibt trotzdem, ja gerade wegen des Ritualcharakters dran. Beispielsweise, als der nach einem Autounfall hospitalisierte Birkenberger Rudi mit der Bettflasche nach der Krankenschwester wirft und sie als „katholischer Brunzfetzen“ beschimpft. Dass Eberhofers Grantlertum längst boulevardeske Heimatfolklore ist, nimmt man kichernd in Kauf.