Kolumne „Mehrwert“: Zeit für die Wahrheit
Pressevorführung im alten Arsenal-Kino in der Welser Straße: neun Stunden „Shoah“ von Claude Lanzmann. Es war vor 40 Jahren, damals jährte sich das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung von Auschwitz zum 40. Mal.
Ich erinnere mich gut, an den Friseur Abraham Bomba, der Haare schneidet, während er berichtet, wie er den Frauen vor der Gaskammer in Treblinka die Haare geschnitten hat. Bis er zusammenbricht. An den Lokführer und seine Geste des Halsabschneidens. An die rangierenden Waggons vor dem Vernichtungslager. An die Pause nach der Hälfte der Vorführung, wir standen draußen vor dem Kino, rauchten, hatten keine Worte.
Der Holocaust liegt nun 80 Jahre zurück, Claude Lanzmann, 2018 gestorben, wäre dieses Jahr 100 geworden. Sein Film wird auf der am Donnerstag beginnenden Berlinale wieder gezeigt, und es fällt auf, dass auch andere Produktionen, die von Zivilisationsbrüchen handeln, oder vom Tod, den wir lieber verdrängen, Überlänge haben.