Der Kaufmann von Venedig: Die Gemäldegalerie erinnert an den Rokoko-Mäzen Sigismund Streit

Diese Verwandten, eine Enttäuschung! Sigismund Streit, Kaufmann in Venedig, machte sich keine Illusionen. „Solides Dencken“ – Fehlanzeige! Er selbst, Sohn eines Schmieds und soeben noch Schüler des Gymnasiums zum Grauen Kloster, hatte mit knapp 14 Jahren seine Heimatstadt Berlin verlassen, um in Altona den Beruf des Kaufmanns zu erlernen, und war danach über Leipzig zur Lagunenstadt gewandert. Nun, gut 25 Jahre später, weilte er als steinreicher Handelsmann ein letztes Mal an der Spree, hatte die Verwandtschaft gewogen und für zu leicht befunden, einmal sein Erbe anzutreten. Eigene Nachkommen gab es keine.

Das Geld an nichtsnutzige Verwandte zu verschleudern, kam für Streit (1687 – 1775) nicht infrage. Stattdessen gab er sich, als Kaufmann von Venedig von Berufs wegen eher knauserig, bei Eintritt in den Ruhestand ausgesprochen generös.

Bücher, Gemälde und jede Menge Taler

„Das Ansehen dieser jedes Mal berühmt gewesenen Schule erhalten und befördern zu helfen, gefiele mir …“ – so schrieb er 1751 der Leitung des Gymnasiums, schickte bald die ersten 10.000 Taler, denen weitere folgten, dazu Kisten voller Bücher und eine hochkarätige Gemäldesammlung.

Sigismund Streits Lieblingsmaler Jacopo Amigoni schuf dessen Porträt 1739, da war sein Auftraggeber 52 Jahre alt. Das Bild aus der Sammlung der Gemäldegalerie ist eine Leihgabe der Streitschen Stiftung.

© Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Jörg P. Anders

Das Geld hat sich im Laufe der Jahrhunderte weitgehend verflüchtigt, in der Bücher- und Gemäldesammlung klaffen Kriegslücken. Aber noch immer ist die Streitsche Stiftung, zu der all diese Schenkungen gebündelt wurden, eine kultur-, schul- und stadthistorisch üppig ausgestattete Institution.

Canelettos Venedig-Bilder

Einen guten Eindruck von der Fülle erhält man in der soeben in der Gemäldegalerie eröffneten Sonderausstellung „Vom Canal Grande an die Spree. Die Streitsche Stiftung für das Graue Kloster“ – eine Kooperation beider Institutionen zum Doppeljubiläum der Lehranstalt: Das ehemalige Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster in Mitte wurde vor 450 Jahren gegründet, das dessen Traditionen fortführende Evangelische Gymnasium zum Grauen Kloster in Schmargendorf vor 75 Jahren.

Aus der Sammlung der Alten Nationalgalerie stammt dieses um 1830 von Eduard Gaertner geschaffene Bild „Die Klosterstraße“. Im Hintergrund die Parochialkirche, das zur Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster zur Linken ist teilweise zu erkennen. Auf dessen Langhaus wird gerade der Altan für astronomische Beobachtungen gemauert.

© Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Jörg P. Anders

Die Streit-Schau ist dreigeteilt, so gerät ein Ausstellungsbesuch automatisch zum Rundgang durchs Museum: Der prunkvollste Teil findet sich im Saal XII, in dem ohnehin als Dauerleihgaben der Stiftung vier Venedig-Veduten des Rokoko-Malers Canaletto hängen, die der Kaufmann eigens für Berlin anfertigen ließ.

Eines zeigt den Canal Grande mit der Rialto-Brücke und zur Linken den von Streit bewohnten, heute als Hotel genutzten Palazzo Foscari. Ein prächtiges Bild, der Auftraggeber hatte dennoch Einwände, sparte es doch den Teil des Gebäudes aus, in dem Geld verdient wurde: „Die 2 Circulichte Fenster und noch 2 daneben so man nicht siehet, war meine Schreibstube oder Comtoir“.

Das Bild hing in der Aula des Gymnasiums, das im Bombenhagel bis auf die Ruine der Klosterkirche zerstört wurde, dicht an dicht mit anderen Gemälden. Diese Hängung wurde unter der Leitung von Susanne Knackmuß, Historikerin der Stiftung und nun Gastkuratorin der Ausstellung, an einer Wand des Saales teilweise rekonstruiert.

Feierten Canalettos Auftragsarbeiten Streits Wahlheimat Venedig und wohl auch ein wenig ihn selbst, so sind in Galerieraum 28 vier Gemälde seines Lieblingsmalers Jacopo Amigoni versammelt, mit denen er sein Heim schmückte. Sie zeigen Bibelszenen wie „Susanna im Bade“, ein Bild, das der Schuldirektor 1864 wegen des einer höheren Lehranstalt unangemessenen Inhalts aussortieren wollte. Er scheiterte an der auf die Verträge pochenden Stiftung.

Der dritte Teil der Ausstellung im Kabinett 5 folgt dem Werdegang von Schule, Stiftung und Stifter. Zu sehen sind Dokumente wie die Urkunde über die Hauptstiftung von 1760, ein von Friedrich II. unterzeichnetes Schreiben, Stiche mit Porträts oder Stadtansichten und sogar Streits Privatsiegel. Auch zwei Hörhilfen soll er der Schule vermacht haben. Aber die sind schon lange verschwunden.