„Des Teufels Bad“ auf der Berlinale: Seelennot und Todessehnsucht
Für säkulare Kinogucker des 21. Jahrhunderts sind sie kaum vorstellbar, die Seelennöte, die gläubige Katholiken in der Mitte des 18. Jahrhunderts plagen. Das Bauernleben in einem oberösterreichischen Dorf ist gezeichnet von halsstarriger Armut, knochenharter Arbeit, strengen Hierachien und einer Volksfrömmigkeit, für die der Teufel und die Hölle keine Hirngespinste religiöser Eiferer, sondern Wirklichkeit sind. Und damit auch die panische Furcht davor.
In diese Lebensrealität stellen Veronika Franz, eine langjährige künstlerische Mitstreiterin von Ulrich Seidl, und Severin Fiala das Drama der jungen Agnes (Anja Plaschg, als Sängerin Soap&Skin). Agnes ist sensibel und verträumt. Eigenschaften, die in der Unerbittlichkeit des rustikalen Bauernlebens, die „Des Teufels Bad“ naturalistisch schildert, keinen Platz haben.
Agnes liebt ihren Herrgott, will Ehemann Wolf (David Scheid) eine gute Frau sein und – wie es sich geziemt – schnellstmöglichst Kinder von ihm empfangen. Nur, dass der durchaus freundliche Ehemann wenig sexuelles Interesse an ihr und an Frauen generell zeigt.
Wolfs Distanz, die übergriffige Schwiegermutter, das Fremdeln der jungen Frau, die aus einer armen, aber warmherzigen Familie stammt und nun in eine wohlhabendere eingeheiratet hat, das einsame Waldhaus, in dem sie auf ihren Mann wartet: All das lässt Agnes schleichend in eine Depression stürzen, die sich mit übersteigerter Religiosität verbindet. „Des Teufels Bad“, das ist der Begriff mit dem die Gesellschaft den Seelenzustand der Schwermütigen und Melancholischen beschreibt.
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„Des Teufels Bad“ hat aber mehr im Sinn, als das Psychogramm einer empfindsamen Frau zu entwerfen, die an den patriarchalen Strukturen und sozialen Verhältnissen des 18. Jahrhunderts zerbricht. Er thematisiert das Phänomen des durch Frauen begangenen Kindsmords, hinter dem eigentlich ein mittelbarer Selbstmord steckt.
Sprich, der Wunsch hingerichtet und vorher in der Beichte, von Sünden freigesprochen zu werden. Anders als die Selbstmörder, die nach damaliger katholischer Lehre der Verdammnis anheimfallen. Dass gleich zu Beginn so ein drastischer Kindsmord geschieht, ist ein Baufehler des Dramas, weil Agnes’ Schicksal nun allzu absehbar abrollt.
Das „Des Teufels Bad“ Assoziationen an Inquisition, Hexenverfolgung und Exorzismus weckt, liegt nahe. Nicht wenige der angeblich „vom Teufel Besessenen“ des Mittelalters, waren psychisch gestörte Menschen. Trotzdem verzichtet das Regieduo, abgesehen von Agnes’ Alptraumsequenzen, auf Genremittel.
So bleiben Agnes Beichte und ihre Hinrichtung die eindrücklichsten Szenen. Nicht, weil Blut sprudelt. Sondern weil Gaffer gierig ihre Becher hochhalten, um vom Blut der vom Einfluss des Teufels befreiten Frau zu trinken. Hurra, die Hex’ ist tot und die Musi spielt.