Überraschungen im DFB-Kader: Bundestrainer Hrubesch setzt auf frische Kräfte
In der Außenseiterrolle fühlt sich Horst Hrubesch nicht wohl. Das wurde einmal mehr deutlich, als der Interims-Bundestrainer der deutschen Fußballerinnen bei einer Medienrunde am Mittwoch erklärte, dass sein Team gegen jeden Gegner in der Lage sei, das Geschehen auf dem Platz zu bestimmen. Ob die Herausforderung nun Niederlande, Spanien oder eben Frankreich heißt, so wie es am 23. Februar (21.00 Uhr/ARD) der Fall ist, wenn die deutsche Nationalmannschaft zum Halbfinale der Nations League in Lyon antritt.
Bei einem Sieg gegen Frankreich wäre das Olympia-Ticket sicher. Die beiden Finalisten qualifizieren sich neben Gastgeber Frankreich für Paris. Im anderen Halbfinale spielen Spanien und die Niederlande gegeneinander.
Nun zeigte das deutsche Team in den vergangenen Spielen in der Nations League recht ambivalente Leistungen. Gegen Dänemark spielte das Team Anfang Dezember so gut wie lange nicht mehr, wenige Tage später kam man über ein torloses Unentschieden gegen Wales nicht hinaus und qualifizierte sich gerade so für das Final Four in der Nations League.
Horst Hrubesch hat trotzdem Vertrauen in sein Team. „Ich bin der Typ, der von Anfang an gesagt hat, was wir für eine Qualität haben. Ich werde die Spiele nehmen und will sie gewinnen, ganz einfach“, sagte der 72-Jährige. In den Finalspielen seien top Mannschaften, „aber ich denke, wir haben die Möglichkeiten – das haben wir auch nachgewiesen – diese Spiele auch zu gewinnen.“ Die Winterpause habe Hrubesch genutzt, um sich auf die Gegner der Nations League vorzubereiten. „Ich habe mir Gedanken gemacht, wie wir in der Lage sind, zwei solche Spiele wie gegen Dänemark abzuliefern. Zum anderen habe ich mir Gedanken zum Kader gemacht.“
Bei Frankreich fehlt Kapitänin Wendie Renard
Bei der entsprechenden Nominierung am Dienstag hatte Hrubesch dann auch ein paar Überraschungen parat. Während Außenverteidigerin Pia-Sophie Wolter von Eintracht Frankfurt nach langer Zeit wieder dem Aufgebot angehörte, nominierte Hrubesch zum ersten Mal Vivien Endemann vom VfL Wolfsburg. „Pia-Sophie Wolter hat bei Eintracht Frankfurt nach überstandener Verletzung gute Leistungen gezeigt und Vivien Endemann ist eine Spielerin, die jetzt auch in den Fokus gerückt ist. Sie hat in Spielen, wenn sie reingekommen ist, immer was verändert“, erklärte Hrubesch.
Bei dem Mittelfeldangebot, das ich habe, musste ich mich entscheiden.
Horst Hrubesch, Bundestrainer der DFB-Frauen, über die Kadernominierung
Der langjährigen Nationalspielerin Lina Magull traut der Bundestrainer diese Fähigkeit scheinbar nicht zu. Die 29-jährige Mittelfeldspielerin, die im Winter vom FC Bayern zu Inter Mailand gewechselt war, fehlte am Dienstag etwas überraschend im Aufgebot. „Lina ist eher eine Spielerin, die man von Anfang an setzen muss“, sagte Hrubesch. Zudem erwartet er physische Spiele, weshalb er auf Magull verzichtet habe.
Grundsätzlich würde Lena Lattwein diesem Anforderungsprofil entsprechen, die Wolfsburgerin habe zuletzt aber nicht ihr Potenzial abgerufen, sodass auch ihre Nominierung ausblieb. „Bei dem Mittelfeldangebot, das ich habe, musste ich mich entscheiden und ich habe mich eben gegen Lena entschieden.“
Auch bei Gegner Frankreich fehlt ein prominenter Name: Kapitänin Wendie Renard ist nach einer Oberschenkelverletzung nicht rechtzeitig fit geworden. „Ich habe vorher spekuliert, ob sie spielen wird. Sie wird fehlen und da sind sie gezwungen, zu reagieren“, sagte Hrubesch. Das eröffnet Deutschland angesichts der herausragenden Kopfballstärke der französischen Innenverteidigerin mehr Möglichkeiten in der Offensive. Zumal neben Lena Oberdorf auch die kopfballstarke Lea Schüller nach überstandener Verletzung wieder dabei sein wird.
Trotzdem sei Frankreich eine große Aufgabe: „Wir wissen, was auf uns zukommt. Sie sind körperlich stark, fußballerisch saustark, aber sie haben auch Probleme, was Umschalten in der Defensive angeht“, gab sich Hrubesch optimistisch.
Der 72-Jährige würde bei einer verpassten Olympia-Qualifikation der deutschen Fußballerinnen kurzfristig weiter als Bundestrainer aushelfen. „Ich habe ja gesagt, dass das in dem Fall ganz normal wäre – wenn es wirklich so kommen sollte.“ Hrubesch sprach von einer möglichen „Übergangszeit“.
Hrubesch hatte bereits im vergangenen Jahr klargemacht, dass er die DFB-Frauen nur noch bei den Olympischen Spielen (26. Juli bis 11. August) betreut – falls es das Nationalteam nach Paris schafft. Die Nachfolgesuche läuft schon länger beim Deutschen Fußball-Bund. Dabei sind in erster Linie Geschäftsführer Andreas Rettig und die neue Sportdirektorin Nia Künzer gefordert.