Teenie-Drama „How to Have Sex“ im Kino: Zwischen Party, Alkohol und dem ersten Mal
Ach ja, die Pubertät. Viele Filme wurden ihr schon gewidmet, dieser Zeit, in der sich alles so wahnsinnig intensiv anfühlt, das Gehirn einer Großbaustelle gleicht und man noch keinen Sinn für Konsequenzen hat.
Eigentlich sollten Teenager überhaupt keine wichtigen Entscheidungen treffen dürfen, aber sie müssen es doch: Was will ich studieren, wer will ich sein, wann habe ich zum ersten Mal Sex – und: mit wem?
Alle tun so, als wüssten sie, was sie tun, übertünchen ihre Unsicherheit mit performativem Selbstbewusstsein – aber richtig Ahnung hat niemand. Vor allem nicht, wenn es darum geht, wie man richtig Sex hat.
Das bringt einem ja auch niemand bei. Nicht die Pornos, die man im Internet schaut, und sicher nicht die Lehrkräfte, die unbeholfen Kondome über Bananen ziehen. So ist es oft Glück, wenn die ersten sexuellen Erfahrungen nicht richtig schlimm enden.
Malia, ein Mekka des Hedonismus
Mit dieser Problematik beschäftigt sich Molly Manning Walker in ihrem Regiedebüt „How to Have Sex“, der dieses Jahr in Cannes in der Reihe Un Certain Regard den Hauptpreis gewann. Die 30-jährige Regisseurin, die lange als Kamerafrau arbeitete, begleitete schon in ihrem Kurzfilm „Good Thanks, You?“ eine junge Frau nach einem sexuellen Übergriff. Auch ihr erster Langfilm behandelt Fragen von Consent, ohne pädagogisch zu werden.
„How to Have Sex” macht erstmal richtig Spaß. Der Ort des Geschehens, Malia auf Kreta, ist für Briten, was Lloret de Mar für Deutsche ist. Ein Mekka des Hedonismus, das nur aus Strand, Bars und Clubs besteht, und wo sich alles um Saufen und Sex dreht.
Hier kommen Tara (Mia McKenna-Bruce), Em (Enva Lewis) und Skye (Lara Peake) mit ihren Rollkoffern an, beim Anblick ihres schäbigen Hotelzimmers fangen sie vor Begeisterung an zu kreischen. Eine Euphorie, die man wohl nur haben kann, wenn man Teenager ist und gerade wichtige Schulprüfungen hinter sich gebracht hat.
Die 16-jährigen Britinnen kosten den ersten Urlaub ohne Eltern richtig aus: Sie essen Chips zum Frühstück und Pommes zum Abendbrot, betrinken sich schon tagsüber, bis eine von ihnen über der Toilette hängt und schwören sich im Vollsuff ewige Freundschaft.
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Ihre wichtigste Mission ist es aber, Jungs – oder im Fall von Em, Mädchen – kennenzulernen. Tara ist als einzige der drei noch Jungfrau und hat fest vor, das in diesem Urlaub zu ändern.
Überall wird geknutscht und gefummelt, auf den Partys fordern erwachsene Animateure die betrunkenen Teenager dazu auf, Oralsex zu simulieren. Selbst der Pool des Hotels, in dem Tara, Em und Skye wohnen, hat die Form eines Penis.
Die drei Mädchen lernen andere Jugendliche kennen, darunter den etwas trotteligen, aber lieben Badger (Shaun Thomas) und den gut aussehenden Paddy (Samuel Bottomley).
Auf einmal kippt die Stimmung
Die erste Hälfte von „How to Have Sex“ ist eine einzige lange Party, die Teens springen von Club zu Club, unterlegt mit wummernden EDM-Bässen. Hinter den schnellen Bildern entfaltet Manning Walker bewusst langsam die Geschichte des Films – und lässt auf subtile Weise die Stimmung kippen. Was eben noch fröhlicher Hedonismus war, wirkt (und klingt auf der Tonspur) plötzlich bedrohlich.
In der Freundschaft der Mädchen zeigen sich Risse. Skye scheint eifersüchtig auf das behütete Elternhaus von Tara zu sein, die sich regelmäßig mit ihrer Mutter WhatsApp-Nachrichten schickt.
„Meine Mama weiß wahrscheinlich nicht mal, dass sich hier bin“, kommentiert sie mit einem Lächeln, das nur schlecht ihren Schmerz verdeckt. Tara fühlt sich derweil wie eine komplette Versagerin, als sie erfährt, dass sie ihre Abschlussprüfung nicht bestanden hat.
Und was eben noch simuliert war, wird auf einmal real. Bei einem Wettbewerb nimmt ein Mädchen auf offener Bühne den Penis von Badger in den Mund, während die Menge grölt. Tara schaut verstört zu.
Der beste Moment seines Lebens sei das gewesen, prahlt Badger hinterher, bevor er zugibt, dass er sich eigentlich an nichts erinnern kann, weil er zu betrunken war. Was ist ihm da eigentlich geschehen?
Währenddessen wird der Druck auf Tara, endlich Sex zu haben, immer größer – bis es schließlich passiert. Doch danach fehlen ihr die Worte, um zu artikulieren, wie sie sich eigentlich fühlt. Irgendetwas fühlt sich nicht richtig an. Mia McKenna Bruce, bekannt aus „The Witcher“, ist großartig als Tara, deren Unbeschwertheit langsam zu bröckeln beginnt.
„How to Have Sex“ bezieht eine wohltuende Gegenposition zu zotigen Erstes-Mal-Komödien à la „American Pie“ oder überdrehten Teenager-Party-Filmen wie Harmony Korines „Spring Breakers“. Molly Manning Walker verliert nie den liebevollen Blick auf ihre Protagonistinnen.
Sie verankert ihren Film fest in der Realität und zeigt, was es heißt, ein 16-jähriges Mädchen zu sein; oder vielleicht auch schon eine Frau. Oder irgendwas dazwischen. Mit all dem Schmerz und all dem Spaß, der damit einhergeht.