Lange Vorrunde, wenig Höhepunkte: So wird Rugby kaum neue Fans gewinnen
Die Kleinen kommen den Großen näher, so war die allgemeine Erwartungshaltung vor dieser Rugby-WM. Nach vier langen Wochen in der Gruppenphase lässt sich allerdings festhalten: wirklich dicke Überraschungen sind bei diesem Turnier ausgeblieben. Gut, dass das Rugby-Schwergewicht Australien schon in der Vorrunde ausgeschieden ist – erstmals überhaupt bei einer WM. Allerdings lag das weniger an der Stärke der Konkurrenz als an eigener Schwäche, sowohl was die Form als auch die Klasse angeht.
Alle acht Viertelfinalisten sind in der Weltrangliste unter den Top Ten notiert, die vier Gruppensieger haben jeweils alle ihre vier Spiele gewonnen. Gerade einmal acht der 40 Vorrundenpartien endeten mit einem knappen Ergebnis von sieben oder weniger Punkten Unterschied, wobei allein fünf Spiele davon in der einzig wirklich engen Gruppe C mit Wales, Fidschi, Australien, Georgien und Portugal stattfanden.
Ansonsten gab es viele höchst einseitige Duelle. Das Spiel zwischen Neuseeland und Italien beispielsweise, in dem die Europäer vorab von einer Überraschung träumten, endete denkbar klar mit 96:17 für die „All Blacks“. Japan wiederum, vor vier Jahren noch WM-Gastgeber und seinerzeit als Gruppensieger im Viertelfinale, hat eher einen Schritt zurück als einen weiteren nach vorn gemacht.
Jörg Leopold ist seit vielen Jahren fasziniert vom Rugby, kann den vielen einseitigen WM-Spielen allerdings wenig abgewinnen.
Was die Frage nach dem Turnierformat aufwirft. Schon zur nächsten WM wird es hier Veränderungen geben, allerdings nicht unbedingt zum Positiven. Das Feld wird auf 24 Mannschaften aufgebläht, wo 20 schon zu viel waren. Dabei sein ist alles, Gewinnen bleibt für den Rest der Welt allerdings ein Traum. Es sei denn, der absurde Vorschlag, dass die vorzeitig ausgeschiedenen Teams bei der nächsten WM noch ein wenig unter sich weitermachen und den Besten vom Rest ausspielen, wird tatsächlich umgesetzt.
Es würde die internationale Hackordnung nur noch weiter zementieren und den Klassenunterschied zusätzlich verdeutlichen: Hier die Großen, die um den Titel spielen. Da die Kleinen, die froh sein dürfen, überhaupt mit dabei zu sein.
Vielleicht wäre künftig eine Finalrunde der sechs Gruppensieger die ehrlichere und auch die spannendere Variante. Denn dann würde es wohl mehr als nur ein paar aufregende Spiele in einem sechs Wochen währenden Turnier geben.