Eins, zwei, drei – Mainz: Kevin Behrens ist der typische Unioner
Der Mainzer Trainer Bo Svensson hatte den Gegner Union eigentlich bereits im Vorfeld durchschaut: „Sie spielen seit einigen Jahren das Gleiche“, erklärte er. „Das ist nicht so schwer zu analysieren, aber es ist sehr schwer, dagegen zu spielen.“ Nach nur 52 Sekunden bewahrheitete sich die Analyse zum ersten Mal. Flanke Jerome Rousillon, Kopfball Kevin Behrens – Tor. Fußball kann so einfach sein. Nach Schema F spielte Union, wie Union nun mal spielt: hinten kompakt stehen, körperlich auftreten, geradlinig nach vorne spielen und über Flanken zum Torerfolg kommen.
4:1 (2:0) gewann Union letztlich beim Saisonauftakt gegen eine Mainzer Mannschaft, der lange keine Mittel einfielen, eben jene altbekannten und altbewährten Muster zu entschlüsseln. Eins, zwei, drei – Mainz lautete der Leistungsnachweis des im Wortsinn alles überragenden Kevin Behrens am Ende des Tages. Gleich drei Flanken verwertete er mit dem Kopf. Ein Novum, das seit der modernden Datenerfassung noch niemandem gelungen ist. „Schön, dass ich mich in die Datenbank eintragen konnte“, sagte Behrens lakonisch schmunzelnd.
Behrens als Paradebeispiel der Unioner Transferpolitik
Neben all der namhaften Neuzugänge und der hochkarätig besetzten Offensive war es ein Altbekannter, der am Sonntagnachmittag zum Matchwinner avancierte. Erst 2021 aus der Zweiten Liga vom SV Sandhausen gekommen, entwickelte sich Behrens unter Urs Fischer kontinuierlich weiter, und spielte in der zweiten Saisonhälfte des vergangenen Jahres schließlich eine prägende Rolle. „Er ist ein toller Typ, auch in der Kabine“, sagte Urs Fischer über seinen Schützling. „Er versucht, täglich dazuzulernen, hat auch schon ein gewisses Alter mit 32. Die Bereitschaft, besser zu werden, die zeichnet ihn aus.“
Somit ist Behrens auch typisch für Unions Transferstrategie unter Geschäftsführer Oliver Ruhnert: Gestandene Spieler verpflichten, die bislang unter dem Radar geblieben sind, und in Köpenick eine Leistungsexplosion erfahren. „Behre für Deutschland“, verkündete der 1. FC Union über den X-Account nach dessen Leistung, vermutlich nur mit einem leichten Augenzwinkern. Denn angesichts der Mittelstürmer-Misere der Nationalmannschaft wird eine deutsche Antwort auf Harry Kane händeringend gesucht. Für Behrens selbst sei das hingegen kein Thema: „Damit beschäftige ich mich absolut überhaupt nicht.“
Hochkarätiges Überangebot im Union-Sturm
Neben Behrens zeigte auch Neuzugang David Fofana erneut eine überzeugende Leistung, zudem steuerten die eingewechselten Stürmer-Kollegen Sheraldo Becker sowie der Debütant Kevin Volland je eine Vorlage bei. Selbst Milos Pantovic, der zuletzt keine wirkliche Rolle mehr spielte, traf noch zum 4:1-Endstand. Gerade in der Offensive ist Union breit und hochkarätig besetzt, Urs Fischer erklärte kürzlich selbst, dass der Kader noch etwas aufgebläht sei.
Der Top-Scorer der vergangenen Saison, Sheraldo Becker, wird seit Monaten mit einem Wechsel in Verbindung gebracht, auch über Jordan Siebatcheu ranken sich Transfergerüchte. Das Spiel gegen Mainz zeigt allerdings, dass gleich mehrere Spieler, in der Lage sind, die möglichen Abgänge zu kompensieren.
Das liegt auch daran, dass sich die Neuen nahtlos in das Köpenicker System einfügen. „Bei Union ordnen sich alle ins Konzept des Trainers ein, genau das macht die Mannschaft so stark“, bemerkte Svensson im Vorfeld. Alex Kral vertrat den verletzten Rani Khedira ebenbürtig, der quirlige Brenden Aaronson ersetzte den lädierten Janik Haberer und beflügelte das Kombinationsspiel merklich.
Gerade im Spiel mit dem Ball wirkte Union über weite Strecken deutlich kreativer als in den Vorjahren. Bislang war das Team von Urs Fischer vor allem durch eine effektive, aber im Zweifelsfall wenig attraktive Spielweise aufgefallen. „Dieses Unermüdliche, dieses Eklige“, wie es Fischer selbst bezeichnete. Das Atlético Madrid der Bundesliga gewissermaßen.
Als Champions-League-Mannschaft – für die man sich selbst aber nicht hält – hat Union den konsequenten Schritt nach vorne gemacht und zeigt spielerische Lösungen auf, die für ein Team, das nun häufiger in der Favoritenrolle sein wird, vonnöten sind. Und die altbewährten Mechanismen funktionieren wie zuvor. Manches bleibt in Köpenick also doch so, wie es immer schon war. Kevin Behrens fuhr nach getaner Arbeit schließlich mit dem Fahrrad nach Hause.