Knapp am Podest vorbei: Linus Straßer zeigt sich in Topform und leidet trotzdem
Linus Straßer litt sichtlich. „Ich habe mich noch nie so geärgert über Platz vier im Weltcup“, sagte Deutschlands bester Slalomfahrer nach dem Krimi von Kitzbühel. Die Winzigkeit von einer Hundertstelsekunde lag der Münchner beim Abschluss der berühmten Hahnenkamm-Rennen am Sonntag hinter dem drittplatzierten Norweger Lucas Braathen. Zwei Hundertstel waren es auf den Zweiten Dave Ryding aus Großbritannien.
Trotzdem: Straßer zeigte sich beim Sieg des Schweizers Daniel Yule erneut in Topform. So gehört er auch zu den Favoriten bei der Ski-WM in Frankreich in zwei Wochen. Ein Trost war sein bislang bestes Ergebnis auf dem Ganslernhang für ihn aber nicht.
Einerseits war Straßer „total zufrieden“. Der Hang sei mit seinen vielen Übergängen „extrem schwierig zu fahren“. Dazu sei das Licht „sauflach“ gewesen, erklärte er. Andererseits haderte er damit, dass er im zweiten Lauf noch einen Rang einbüßte. Er habe sich „ziemlich am Limit“ bewegt, sagte der 30-Jährige. „Aber: Wenn du zurückdenkst an den einen oder anderen Schwung, den ich nicht auf Vollzug reingefahren bin, beißt du dir in den Arsch.“
Straßer lernte auf dem Ganslernhang als Kind einst das Skifahren. Doch nie zuvor war er dort im Weltcup so gut zurechtgekommen wie diesmal. Nur zweimal hatte er es – jeweils als 14. – in die Punkte geschafft. Dennoch habe er sich wohl noch nie so gefreut auf das Rennen wie in diesem Jahr, erklärte er. Die Konstanz, die er in dieser Saison zeigt, beflügelt ihn. In vier der vergangenen fünf Slaloms fuhr er nun unter die ersten vier. Straßer gehört damit zur Weltspitze.
Ich habe mich noch nie so geärgert über Platz vier im Weltcup.
Linus Straßer
Anders als das deutsche Speed-Team. Auch die Abfahrten auf der legendären Streif lieferten wieder reichlich Spektakel. Thomas Dreßen war der Spaß im Schneegestöber am Samstag allerdings vergangen. Frustriert hatte der 29-Jährige seinen Helm weg gepfeffert, nachdem er in der Alten Schneise gestürzt und ausgeschieden war. Dreßen war sauer auf sich selbst, aber „auch auf gewisse Umstände, wo man was hätte machen können“.
Der Kitzbühel-Sieger von 2018 klagte über die schlechte Sicht. Im Wissen, dass es schneien würde, hätten die Organisatoren doch an den entsprechenden Stellen Farbe in die Piste geben können, sagte Dreßen. Zudem kritisierte er die Entscheidung, dass der Start nicht ein Stück nach unten verlegt worden war. Die Athleten hätten kein Mitspracherecht, sagte er.
Dreßens Teamkollegen hatten in den vergangenen Wochen aus verschiedenen, mitunter gesundheitlichen Gründen „den Faden verloren“, wie Bundestrainer Christian Schwaiger es formulierte. In Kitzbühel nahmen sie ihn zumindest teilweise wieder auf. Romed Baumann fuhr trotz der schwierigen Bedingungen am Samstag als Achter in die Top Ten, Josef Ferstl verpasste sie als Elfter nur knapp. Zu den absoluten Topleuten fehlt aber weiter einiges.
Der große Abfahrts-Dominator des Winters bleibt Aleksander Aamodt Kilde. Der Norweger feierte am Samstag schon seinen fünften Saisonerfolg in der Königsdisziplin – und ein Happy End seiner wilden Ritte über die gefürchtetste Piste im Weltcup. Das sei einer seiner größten Siege, sagte er. Tausende Fans bejubelten ihn.
Im Training am Donnerstag hatte Kilde einen kleinen Bruch nahe des rechten Handgelenks erlitten, beim Heimsieg des Österreichers Vincent Kriechmayr im Rennen am Freitag war der 30-Jährige fast in den Zaun gebrettert. Von der Beinahe-Katastrophe zum König von Kitzbühel in 24 Stunden – das ist selbst für die Streif außergewöhnlich spektakulär. Genau wie Straßers extrem knapp verlorener Slalom-Krimi am Sonntag. (dpa)
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