Der verliebte Zyklop
Wenn im Mythos die Götter streiten, müssen Sterbliche leiden. Glücklicherweise streiten in „Polifemo – wenn Liebe Leiden schafft“ in der Orangerie des Berliner Schlosses Charlottenburg nur ganz irdische Diven: Ein gestresster Impresario plant eine musikalische Gedenkfeier zu Ehren der preußischen Königin Sophie Charlotte. Leider meint auch ein adliger Kunstmäzen, mitreden zu müssen…
Neben barocken Arien, Duetten und Instrumentalmusik bildet – stark gekürzt – Giovanni Bononcinis Oper „Polifemo“ das Zentrum des Abends bei den Residenz-Konzerten. Das Schloss Charlottenburg ist dabei mehr als nur Kulisse, fand im dortigen Hoftheater doch 1702 die Uraufführung statt.
Claus Unzen inszeniert die Dramen auf und hinter der Bühne als Spiel im Spiel, ohne Tiefgründigkeit, aber unterhaltsam und kurzweilig. Dass dabei so manches Sänger*innenklischee bemüht wird, liegt in der Natur der Sache.
Musikalisch bietet der Abend viele Entdeckungen, neben Bekanntem wie Händels „Lascia ch’io pianga“ oder dem „Sommer“ aus Vivaldis „ Vier Jahreszeiten“ etwa die Komponistin Wilhelmine von Bayreuth, Enkelin Sophie Charlottes. Die Arie „Ombra mai fu“ erklingt gleich zweimal, in der berühmten Fassung von Händel und in der seines Zeitgenossen und Konkurrenten Bononcini.
[Die Residenzkonzerte gibt es bis 11. September, immer freitags um 20 Uhr, und sonntags um 18 Uhr. Infos: www.residenzkonzerte.berlin]
Die vier Solist*innen in historischen Kostümen singen durchweg auf hohem Niveau. Ekaterina Bazhanova beeindruckt in der Hosenrolle des Acis und macht stimmlich wie darstellerisch vergessen, dass man eine Frau vor sich hat. Alena Karmanova überzeugt als leidende Galatea, die mit ihrem Gesang die Göttin Venus erweicht, und Toni Schmidt als liebeskranker, handfest komödiantischer Glauco. Marlon Maias Zyklop Polifemo ist zwar etwas grob in der Tongebung, gibt aber als Kunstmäzen eine beschwingte Parodie selbstverliebter Regisseure.
Die Musiker*innen des Residenzorchesters führen, geleitet von Alexandra Rossmann, zuverlässig durch den Abend. Der satte Orchesterklang mag Originalklangpuristen widerstreben, bietet aber gerade den großen Stimmen auf der Bühne die nötige Entfaltungsmöglichkeit.