Warum „Obi-Wan“ bisher nicht zündet
Die 1977 begonnene „Star Wars“-Saga ist auch heute, 45 Jahre später, noch immer nicht zu Ende erzählt. Nach wie vor werden Lücken in der großen Erzählung über tapfere Jedi-Ritter und das diktatorische Imperium geschlossen: Andere Franchises haben zwischenzeitlich mehrere sogenannte Reboots erfahren, es ging also wieder von vorne los – bei „Star Wars“ soll aber auch ein halbes Jahrhundert nach dem wegweisenden Beginn noch alles mit allem zusammenpassen.
Das aktuelle Beispiel ist die Ende Mai auf dem Streamingdienst Disney+ gestartete, heiß erwartete Serie „Obi-Wan Kenobi“ mit Ewan McGregor in der Hauptrolle. Der britische Schauspieler hatte den Part bereits 1999 für die Prequel-Trilogie von Original-Darsteller Alec Guinness übernommen.
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Nun spielt er einen Jedi-Ritter im Exil, der deutlich gealtert ist, aber noch etwa zehn Jahre jünger als Guinness‘ Figur in dem heute als „Star Wars 4: Eine neue Hoffnung“ bekannten Kinofilm von 1977. McGregor füllt eine Lücke – und wie die ersten vier der insgesamt sechs Episoden zeigen, ist das ein Problem.
Die „Star Wars“-Serie ist leider nicht spannend
Achtung, es folgen Spoiler zu den bisher veröffentlichten Folgen von „Star Wars: Obi-Wan Kenobi“. Im Grunde ist die Serie bis dato eine Variation eines Handlungsstranges aus dem originalen „Star Wars“-Film von 1977, wo Prinzessin Leia (damals: Carrie Fisher) von Darth Vaders Schergen entführt und von Obi-Wan, Luke Skywalker sowie Han Solo gerettet wurde. In der Serie wird nun eine etwa zehnjährige Leia (Vivien Lyra Blair) entführt und Obi-Wan begibt sich zu ihrer Rettung aus dem Exil heraus und in große Gefahr.
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Das Publikum weiß aber: Weder dem alten Jedi, noch dem kleinen Mädchen kann wirklich etwas passieren. Obwohl die Serie in der dunkelsten, gefährlichsten Periode der gesamten „Star Wars“-Handlung spielt, als die wenigen überlebenden Jedi gejagt und getötet werden, ist sie bisher nicht spannend, denn Obi-Wan und Leia sind im später spielenden Film „Star Wars 4“ ja quicklebendig.
Zum Beispiel die Rettungsmission in der vierten Folge der Serie, wo der Jedi das Mädchen mal wieder befreit – diesmal aus einer schwer gesicherten Burg – fühlt sich daher wie eine Pflichtübung ohne Fallhöhe an.
Das enge Korsett der großen Saga
Statt wie ein großes, offenes Abenteuer wirkt die „Obi-Wan“-Serie in den ersten vier Episoden wie ein großer Lückenfüller. Die Serie mag für Fans zwar bestimmte Detailfragen beantworten. So ist nun etwa klarer, warum sich Leia auch in „Star Wars 4“ hilfesuchend ausgerechnet an Obi-Wan wendet. Doch das große Handlungskorsett der „Star Wars“-Saga schnürt jede wirkliche Spannung ab – was auch auf das von Fans herbeigesehnte, erneute Duell zwischen Obi-Wan und seinen früheren Schüler Darth Vader (Hayden Christensen) zutrifft.
Im Film „Star Wars 3: Die Rache der Sith“ fügt Obi-Wan seinem einstigen Zögling schwere Verletzungen im Duell zu, in „Star Wars 4“ lässt er sich dann freiwillig von ihm niederstrecken, und dazwischen also treffen die beiden in der neuen Serie erneut aufeinander. Der geschwächte Obi-Wan überlebt nur mit Glück, doch die Lücke lässt auch an dieser Stelle keine echte Spannung zu. Wirklich gewinnen oder verlieren kann ja keiner.
Stattdessen wirkt die Konfrontation sogar eher so, als habe hier die Marketingabteilung das Drehbuch geschrieben: Obi-Wan und Vader kreuzen wieder die Lichtschwerter, weil sich die Serie mit dem erneuten Duell zweier Popkultur-Ikonen eben besser verkaufen lässt.
Potential ist vorhanden
Dabei wäre selbst in der Lücke mit ihren engen erzählerischen Grenzen genug Raum für eine interessante Geschichte: Obi-Wan, den Ewan McGregor subtil und einnehmend als fast, aber nicht ganz gebrochenen Mann spielt, ist am Tiefpunkt seines Lebens. Er muss sich mit der unangenehmen Frage beschäftigen, wie viel eigene Verantwortung er dafür trägt, dass aus seinem Schüler Anakin der Jedi-Jäger Darth Vader wurde.
Die große Konfrontation in der Serie sollte also zwischen Obi-Wan und seiner eigenen Schuld verlaufen. Bisher findet dieses Seelen-Duell jedoch kaum statt und wird zugunsten eines eher öden Entführungs-Plots zurückgestellt. Genau hier liegt für die letzten beiden Folgen die große Chance.
Hoffnung für die letzten beiden Folgen von „Obi-Wan“
Fehler einzugestehen ist bei „Star Wars“ üblicherweise vor allem eine Sache der geläuterten Bösewichte: Am Ende von „Star Wars 6“ erkennt Vader kurz vor dem Tod seinen Irrweg an, am Ende von „Star Wars 9“ tut es ihm sein Enkelsohn Ben Solo gleich. Die Jedi-Gemeinschaft und ihre Vertreter:innen kamen dabei stets viel zu gut weg.
Dabei ließ sich der mönchsartige Orden nicht nur auf der falschen Seite in einen Krieg einspannen (siehe „Star Wars 2-3“ und die Serie „The Clone Wars“), sondern hatte auch ein Kommunikationsproblem mit fatalen Auswirkungen:
Anstatt dass sich Obi-Wan effektiv um die emotionalen Probleme seines Schülers Anakin gekümmert hätte, bemühte er im Grunde nur die Floskeln seines asketischen Ordens: Der junge Mann solle sich vor zu engen Bindungen hüten, da diese ins Unheil führen würden.
Die – zumindest ursprünglich – auf eine Staffel ausgelegte „Obi-Wan“-Serie hat noch zwei Folgen lang Zeit, die Fehler eines Jedi-Meisters und seines Ordens anzuerkennen und damit eine echte Lücke in der großen Saga zu schließen. Die fünfte und sechste Folge von „Obi-Wan Kenobi“ erscheinen am 15. beziehungsweise 22. Juni auf Disney+.