Sandro Schwarz nimmt bei Hertha BSC die Arbeit auf
Beim ersten öffentlichen Auftritt von Sandro Schwarz in Berlin ist viel von Struktur und Ordnung die Rede. „Ich bin ein sehr ordnungsliebender Mensch“, sagt der neue Trainer von Hertha BSC. Aber dass sich Ordnung und Leidenschaft nicht ausschließen müssen, dafür liefert Schwarz, 43, gleich ein schönes Beispiel.
Als es bei der medialen Fragerunde um Herthas Bundesligaauftakt Anfang August geht, da bricht es aus ihm heraus, noch bevor der Begriff Derby fällt oder der Gegner, der 1. FC Union, auch nur erwähnt wird. „Geiles Spiel!“, sagt Schwarz. „Geiles Spiel, Leute!“
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Leidenschaft und Ordnung, Mut und Struktur – das ist genau das, was sich auch Fredi Bobic erhofft. Sandro Schwarz ist bereits der vierte Trainer in seiner gerade mal einjährigen Amtszeit als Geschäftsführer Sport bei Hertha; der dritte nach Tayfun Korkut und Felix Magath, den er selbst ausgesucht hat.
Für den Posten habe es verschiedene Kandidaten gegeben, berichtet Bobic, schon frühzeitig aber hätten sich die Dinge Richtung Schwarz entwickelt. „Wir kennen uns“, sagt Herthas Sportchef. Zu Beginn der Coronazeit – Bobic war noch für Eintracht Frankfurt tätig – habe man sich erstmals getroffen. Als „sehr empathisch“ habe er Schwarz dabei empfunden, zudem den Eindruck gewonnen, dass „man ähnlich tickt“, und zwar nicht nur den Fußball betreffend. „Er ist genau jetzt für diesen Zeitpunkt und diese Situation der richtige Mann“, sagt Bobic.
Diese Situation ist mal wieder nicht ganz einfach. Nicht für Hertha und damit auch nicht für Schwarz, der sich bei seinem Heimatverein, dem FSV Mainz 05, vom Trainer der Jugend über die U 23 zu den Profis hochgearbeitet hat und der zuletzt bei Dynamo Moskau tätig war. Hertha hat in der Fußball-Bundesliga eine komplizierte Spielzeit hinter sich, mit drei Trainern und der Rettung erst in der Relegation; dazu steht dem Kader mal wieder ein Umbruch bevor. Nach dem Umbruch vor zwei Jahren. Und dem Umbruch im vergangenen Sommer.
Boateng bleibt wohl noch ein Jahr
Schwarz hat sich, noch in Moskau, die Relegation gegen den Hamburger SV im Fernsehen angeschaut, „als Hertha-Fan“, wie er sagt. Dass er nach Berlin wechseln würde, war zu diesem Zeitpunkt schon klar – und daran hätte auch ein anderer Ausgang der Relegation nichts geändert. „Es war sehr beeindruckend, mit welchem Mut die Mannschaft in so einem Druckspiel aufgetreten ist“, sagt Schwarz über das Rückspiel gegen den HSV, das Hertha den Verbleib in der Bundesliga sicherte.
So wie in Hamburg soll die Mannschaft künftig regelmäßig auftreten. Auch deshalb ist die Wahl auf Schwarz gefallen, der als Spieler unter Jürgen Klopp gearbeitet hat und durch die Mainzer Schule sozialisiert worden ist. „Unser Spiel soll schon sehr intensiv ausgelegt sein“, sagt der neue Trainer. „Es soll mutig sein, sehr aktiv und gegen den Ball gut strukturiert – das wird die Basis sein.“ Bobic mahnt, dass dieser Prozess seine Zeit brauche. „Es ist nicht innerhalb von vier, fünf Wochen zu schaffen.“
Erst recht nicht bei den Begebenheiten, mit denen Schwarz in den nächsten Wochen zurechtkommen muss. Am Mittwoch – nach zwei Tagen mit Leistungstests und medizinischen Untersuchungen – wird er erstmals mit seinem Kader auf dem Trainingsplatz arbeiten können; mit einem Kader allerdings, der allenfalls ein vorläufiger ist. „Der Kader ist noch nicht komplett“, sagt Bobic. „Es wird Bewegung und viele Gerüchte geben.“
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Die Nationalspieler werden erst in zwei Wochen ins Training einsteigen, viele bislang verliehene Spieler kehren im Idealfall nur nach Berlin zurück, um gleich wieder zu gehen – entsprechendes Interesse anderer Klubs vorausgesetzt. Das gibt es offenbar für den zuletzt an den VfL Bochum verliehenen Eduard Löwen. Der Mittelfeldspieler befindet sich in konkreten Verhandlungen und ist deswegen nicht in Berlin.
Auch Santiago Ascacibar will Hertha verlassen, das hat er dem Klub schon in der Rückrunde der Vorsaison mitgeteilt. Einen potenziellen Abnehmer aber gibt es bisher nicht.
Bei den Transfers ist Geduld gefragt
Dafür wird Kevin-Prince Boateng, 35, wohl bleiben. Es gehe nur noch um Kleinigkeiten im Vertrag, berichtet Bobic. Schon in den nächsten Tagen sei Vollzug zu erwarten.
So schnell wird es bei anderen Personalien nicht gehen. „Der Transfermarkt ist noch sehr träge“, berichtet Bobic. „Die Südländer schlafen noch.“ Zudem gehe es nicht um Wünsche, sondern darum, was realistisch machbar sei. Mehr Geld einnehmen als ausgeben, „das sind die Vorgaben“, bestätigt Herthas Geschäftsführer. Auch der Personaletat muss reduziert werden. Aber davor habe er keine Angst.
Nur für den Trainer sei die Situation etwas unfair, gibt Bobic zu. Vieles ist ungewiss. Wer bleibt? Wer kommt? Und vor allem wann? In vielen Fällen sei man schon recht weit, erklärt Bobic, aber bis zum Vollzug kann es noch dauern. Bevor er selbst Transfers tätigen kann, wird Herthas Geschäftsführer Sport erst Spieler verkaufen müssen. „Wir hoffen natürlich, dass die Spieler dann noch auf dem Markt sind, die wir gerne haben möchten.“