Hertha BSC und der Kampf um die Startelfplätze: Überfüllung im zentralen Mittelfeld
Ivan Sunjic hatte die Ruhe weg. Im Trainingslager in Florida hatte sich der Mittelfeldspieler von Hertha BSC nach dem Mittagessen einen Platz auf der Terrasse des Mannschaftshotels gesucht. Er legte kurz den Kopf in den Nacken, und schon war er eingeschlafen.
Selbst durch Fredi Bobic, der am Nachbartisch ein Interview gab, ließ sich Sunjic nicht irritieren. Herthas Geschäftsführer Sport war davon sichtlich beeindruckt. Aber nicht nur davon.
Auf die Frage, wer ihn im Trainingslager besonders überrascht habe, nannte Bobic explizit den Kroaten, der im Sommer von Birmingham City aus der zweiten englischen Liga nach Berlin gekommen war und der sich erst an das höhere Niveau in der Fußball-Bundesliga herantasten musste. „Was der für einen Sprung gemacht hat …“
Was das wiederum für Sunjics Aussichten heißt, am Samstag gegen den VfL Bochum in Herthas Startelf zu stehen? Erst einmal nicht viel. Während sich das Team sonst fast von alleine aufstellt, ist im zentralen Mittelfeld noch gar nichts sicher.
Mittelstädt verdrängt Plattenhardt aus der Startelf
Auf den anderen offenen Positionen haben sich die Dinge inzwischen weitgehend geklärt: Hinten links wird in Bochum wohl Maximilian Mittelstädt anfangen – und das nicht nur, weil er in dieser Woche seinen auslaufenden Vertrag bis 2027 verlängert hat. „Maxi hat grundsätzlich eine sehr gute Vorbereitung absolviert“, sagt Trainer Sandro Schwarz.
An der bisherigen Nummer eins als Linksverteidiger, an Marvin Plattenhardt, ist Mittelstädt erst einmal vorbeigezogen. Zumal sich Herthas Kapitän selbst aus dem Spiel genommen hat. Wegen des fehlenden Impfstatus konnte er nicht mit den Berliner Profis ins Trainingslager in die USA reisen. Stattdessen musste er in der Heimat mit der U 23 trainieren. Dazu fehlte Plattenhardt zeitweise wegen eines Infekts.
Vor Mittelstädt dürfte der junge Derry Scherhant den verletzten Chidera Ejuke ersetzen. Marco Richter, der dort vor der Winterpause gespielt hat, wird durch die Gelbsperre von Dodi Lukebakio auf dem rechten Flügel benötigt. Infrage käme zwar auch noch Myziane Maolida, aber der Franzose hat auch im Trainingslager wieder einen eher erratischen Eindruck hinterlassen.
Auch in der Offensive ist die Auswahl dünn, da der unter der Woche verpflichtete Florian Niederlechner wegen muskulärer Probleme noch nicht zur Verfügung steht. Ganz anders sieht es für Herthas Trainer im zentralen Mittelfeld aus. „Da sind wir nicht dünn besetzt“, sagt Fredi Bobic.
Schwarz präferiert ein 4-2-3-1
Schwarz hat im Trainingslager angedeutet, dass er künftig häufiger im 4-2-3-1-System spielen könnte. Für die Rolle als Zehner oder hängende Spitze hinter Mittelstürmer Wilfried Kanga käme neben Niederlechner vor allem Stevan Jovetic in Frage.
In der Vergangenheit ist der Montenegriner immer mal wieder von seinem Körper ausgebremst worden, diesmal aber hat er zumindest den zweiten Teil der Vorbereitung ohne Probleme absolvieren können. „Das ist die Position, die er bekleiden kann, das hat er bislang gut gemacht“, sagt Schwarz. „Wenn er ins Rollen kommt, sieht man, dass Qualität da ist.“
Das heißt allerdings auch, dass für die vier Anwärter auf eine Stelle im defensiven Mittelfeld nur noch zwei Plätze übrig sind. Startelfambitionen haben alle vier: Ivan Sunjic, Lucas Tousart, Suat Serdar und Jean-Paul Boetius. Ein Luxusproblem? „Ich bin kein Freund vom Wort Luxusproblem“, sagt Schwarz. Für ihn ist die Situation eher Luxus als Problem. „Als Trainer wünschst du dir, dass alle gesund und dementsprechend fit sind und du so die Auswahl hast. Wir brauchen die Konkurrenzsituation.“
Er ist immer auf Betriebstemperatur, möchte jedes Spiel gewinnen, feuert alles rein.
Trainer Sandro Schwarz über Lucas Tousart
Zum einen kann sich keiner allzu sicher sein, zum anderen hat Schwarz die Möglichkeit, mit der Aufstellung unterschiedliche Akzente zu setzen. Ivan Sunjic zum Beispiel ist ein klassischer Sechser: einer, der Löcher zuläuft, sich in Zweikämpfe stürzt, aber eben kein verkappter Spielmacher, der aus der zurückgezogenen Position die großen Linien vorgibt.
Diesem Profil entspricht eher Lucas Tousart, der inzwischen große Wertschätzung genießt. Der Franzose, der Marvin Plattenhardt in Bochum als Kapitän ersetzen wird, fehlte nur am ersten Spieltag, weil er wegen seines Platzverweises in der Relegation gesperrt war. Sonst stand er in jeder Begegnung in der Startelf.
Drei Spiele in acht Tagen
„Er ist immer auf Betriebstemperatur, möchte jedes Spiel gewinnen, feuert alles rein“, sagt Trainer Schwarz. „Er ist einfach ein extremer wichtiger Spieler für uns und stellt es in jedem Training und in jedem Spiel mit Leistung unter Beweis.“
Suat Serdar ist das, was im modernen Fußballdeutsch Box-to-Box-Spieler heißt. Er ist zwischen den Strafräumen unterwegs und bringt dadurch Tiefgang ins Spiel. Zudem hat er an Bochum durchaus positive Erinnerungen.
In der vergangenen Saison steuerte Serdar dort zwei Tore zu Herthas 3:1-Erfolg bei. Es waren die ersten beiden Treffer des früheren Nationalspielers für seinen neuen Arbeitgeber. „Klar, wissen wir das auch“, sagt Schwarz. Aber für seine Personalplanung „gibt es andere Kriterien“.
Zieht man die Eindrücke aus dem Trainingslager zu Rate, dann dürfte neben Tousart Jean-Paul Boetius auflaufen, den Schwarz wie Serdar aus gemeinsamer Zeit in Mainz kennt – und schätzt. Der Niederländer kann viele Rollen ausfüllen. Er käme auch als zentraler Spieler der offensiven Dreierreihe in Frage. „Ich kann auf allen Positionen im Mittelfeld spielen, da gefällt mir keine besser als die andere“, sagt er. „Ich bin ein Allrounder.“
Wie auch immer sich der Trainer für die Partie in Bochum entscheiden wird: Es wird keine Entscheidung für alle Zeit sein. Für Hertha stehen innerhalb von acht Tagen gleich drei Begegnungen an. Auch das spielt in Schwarz‘ Überlegungen eine Rolle und gibt ihm die Möglichkeit, die Einsatzzeiten halbwegs gerecht zu verteilen. Vielleicht ist Ivan Sunjic dann auch am Ende der Woche wieder rechtschaffen müde.
Zur Startseite