Einzelzeitfahren der Radsportler im Pariser Regen: Achtung: Sturzgefahr!
Mieke Kröger liegt im Regen auf dem nassen Asphalt. Aber erst im Ziel. Das unterscheidet sie von mancher Kollegin, die es schon im Rennen der Zeitfahrerinnen vom Rad katapultiert hat. Der US.Amerikanerin Taylor Knibb etwa, 2021 immerhin WM-Zweite im Triathlon, rutschte ihr Sportgerät gleich dreimal weg, bis ein Techniker ihr ein Ersatzfahrrad anreichte und beim Anschieben der Athletin dann selbst ausrutschte.
Kurzum: Der Auftakt der olympischen Straßenwettbewerbe war am Samstag eine glitschige Angelegenheit. Und die Wahl-Kölnerin Mieke Kröger, eigentlich als Bahnrad-Olympiasiegerin bekannt, war nach Platz 13 hin- und hergerissen zwischen Enttäuschung, weil sie sich mehr erhofft hatte, und Erleichterung, weil sie bis zum Schluss auf dem Rad geblieben war.
Den Sieg holte sich in überragender Manier die Australierin Grace Brown in 39:38,24 Minuten vor der Britin Anna Henderson (41:09,83) und Chloe Dygert (41:10,70) aus den USA. Kröger bewältigte die 32,4 Kilometer lange und in ihrem Sinne flache Strecke in 42:28,12 Minuten, Teamkollegin Antonia Niedermaier, Junioren-Weltmeisterin in dieser Disziplin, aber eher Liebhaberin von bergigen Kursen, brauchte 42:53,79 Minuten. Auch sie war einmal zu Boden gegangen.
Bei den Männern gewann der Drittplatzierte der Tour de France, Remco Evenepoel aus Belgien vor Zeitfahrspezialist Filippo Ganna aus Italien und Wout van Aert (Belgien). Maximilian Schachmann, der einzige Deutscher im Pariser Regen auf der Strecke war, wurde am Ende Neunter.
Im Ziel nur noch liegen zu wollen, das war Krögers Ziel gewesen. Also alles geben auf dieser olympischen Bühne, die sie sich so sehr herbei gewünscht hatte. Vor drei Jahren gewann die inzwischen 31-Jährige mit dem deutschen Vierer auf der Bahn in Tokio von Weltrekord zu Weltrekord und schließlich zu Gold. Anschließend folgten Siege bei WM und EM.
Grund für diese Dominanz war auch eine von Kröger angezettelte Taktikänderung: Sie übernahm eine lange Führung über vier Runden und ging nicht wie die Kolleginnen zweimal für zwei Runden an die Spitze. So hatten die anderen eine längere Pause und Kröger konnte ihre Stärke in einem langen Sprint ausspielen. Ihre Erklärung: „Ich bin mehr so ein Diesel, Tempowechsel liegen mir nicht.“
Ich habe dann ständig Hupen gehört. Vor Kurven, vorm Kreisverkehr.
Mieke Kröger über das Rennen im Regen
Deshalb gehört ihre heimliche Liebe auch schon immer dem Einzelzeitfahren, sie träumte seit jeher von einem Olympiastart im Kampf gegen die Uhr. Aber erst zu ihrer dritten Olympiateilnahme klappte es mit der Qualifikation. Nun liegt sie also auf dem Boden, hat alles gegeben, hat sich nichts vorzuwerfen, und dazu die malerische Kulisse: Der Asphalt unter ihr gehört zur Pont Alexandre III, einer der schönsten Pariser Brücken über die Seine. Der Eiffelturm scheint von hier aus nur einen Hüpfer entfernt. Ohne den Regen grenzte die Szenerie an olympischen Kitsch.
Aber Mieke Kröger ist nicht glücklich. „Ich war langsam in den Kurven“, sagt sie immer wieder. Irgendwie ratlos. Patrick Moster, der Sportdirektor des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) kommt vorbei und klopft ihr auf die Schulter. „Gut gemacht“, sagt er. Aus ihrem Blick sprechen Zweifel. Er war im Auto hinter ihr hergefahren und hatte gebangt, denn anders als sie wusste er von den Stürzen der anderen. Kröger fuhr ohne Funk. Die Abmachung mit den Betreuern im Begleitfahrzeug lautete: Bei Gefahr hupen. „Ich habe dann ständig Hupen gehört. Vor Kurven, vorm Kreisverkehr“, erzählt sie.
Das Gute: Mieke Kröger bekommt eine zweite Chance bei diesen Olympischen Spielen. Sie fährt nun für drei Tage nach Hause nach Hürth bei Köln und kehrt dann mit den Bahnrad-Kolleginnen zur Mission Titelverteidigung in der Mannschaftsverfolgung zurück. Die Rennen finden am 6. und 7. August statt. Und das Bahnrad-Stadion, das Vélodrome National de Saint-Quentin-en-Yvelines, hat ein Dach.