Auszug aus Friedenau: Das Sommerquartier des ZigZag Jazz Club präsentiert internationale Highlights
Jazz in Berlin hat viele gute Adressen, und dass sich zwischen Charlottenburg, Neukölln und Weißensee nicht wirklich ein Zentrum ausmachen lässt, gehört vielleicht zum Wesen dieser Musik. Eine der besten Adressen, der Friedenauer ZigZag Club, ist seit Kurzem selbst in Bewegung. Das Lokal in der Hauptstraße, das mit viel Unterstützung von Publikum und Musikern die Coronazeit überstanden hat, wird zwar nicht aufgegeben, operiert ab Herbst aber nur noch mit halber Kraft – und vor allem: halber Lautstärke.
Der Streit um den Lärmschutz, der früher oder später fast jeden Club in Wohngebieten einholt, ließ sich schließlich auch hier nicht vermeiden. Trotz aufwendiger Schallschutzmaßnahmen gingen die Bässe, wenn einmal richtig aufgedreht wurde, durch die Decke.
Neues Lokal am Gleisdreick
Die langfristige Lösung liegt nun in einem Umzug. Mit dem Kühlhaus am Gleisdreieck hat Betreiber Dimitris Christides einen Ort im Blick, der seinen Club gerne aufnehmen würde. Noch ist die Finanzierung des Umbaus nicht vollständig geklärt – es geht dabei auch um Gelder aus der Lotto Stiftung Berlin. Mit etwas Glück aber soll das ZigZag Ende 2025 in das 1901 erbaute Anwesen einzuziehen, das einst Europas größter Kühlhauskomplex war. Der Club in der Hauptstraße wird dann nur noch als Nebenspielstätte dienen.
Die Innenstadtlage des Kühlhauses bietet die Chance, ein Publikum mitzunehmen, das sich dem Club auch nachbarschaftlich verbunden fühlt. Die geplante Vergrößerung der Fläche birgt zugleich ein Risiko. Wo das bisherige ZigZag im Regelbetrieb gut gefüllt war und bei prominenten Namen aus allen Nähten platzte, muss es dann die goldene Mitte zwischen einem Programm mit internationalen Highlights und der Bindung an die heimische Szene finden: Kleinere Konzerte sollen auch nicht vor halbleeren Reihen stattfinden. Das nützt weder den Bands, noch zahlt es die Miete.
Popup an der Spree
Was Dimitris Christides im Auge hat, zeigt vorerst der mit Unterstützung von Vitali Kivmanns Althafen Stiftung eingerichtete Popup-Club, den das ZigZag bis Ende August als Sommerquartier an der Spree bezogen hat. Gleich neben der East Side Gallery, in der Mühlenstraße, hat er Musiker und Musikerinnen eingeladen, die sonst nicht unbedingt Station in Berlin gemacht hätten – und schon gar nicht in diesem nach wie vor intimen Rahmen.
Wann war zuletzt der Trompeter Terence Blanchard in der Stadt, der hier mit seinem E-Collective und dem Atom String Quartet auftritt (20.7.)? Wer hätte gedacht, dass sich Cécile McLorin Salvant, die man bedenkenlos die beste Sängerin ihrer Generation nennen kann, mit dem Pianisten Sullivan Fortner, nur er ein alter ZigZag-Bekannter, hierher verirrt (29.7.)? Und wie oft wird es noch Gelegenheit geben, den mit 86 Jahren tonsensibler denn je spielenden Saxofonisten Charles Lloyd im erlauchten Kreis von Jason Moran, Larry Grenadier und Brian Blade zu erleben (24.7.)? Die Liste ist noch weitaus länger.
Auf Clubebene hat das ZigZag immer die Lücke zwischen populären Großbühnenacts, die oft an Berlin vorbeizogen, und den Experimentatoren und Klangforschern an Orten für Eingeweihte geschlossen. Etwas Ähnliches versucht nur noch das A-Trane in der Pestalozzistraße. Andere Clubs wie der Schlot in der Chausseestraße oder das B-Flat in der Dircksenstraße haben von vornherein ein lokaleres Gepräge.
Dimitris Christides, einer der kürzlich vom Tagesspiegel ausgewählten 100 Kulturköpfe der Stadt, weiß genau, dass er ein Stammpublikum braucht, das sich blind auf die Qualität der Veranstaltungen verlassen kann, und diejenigen, die ihr Fantum oder ihre Kennerschaft zu einzelnen Konzerten treibt. Das Händchen dafür hat er. Deshalb hat es auch das Glück, das er braucht, sicher etwas leichter.