Fabian Wiede musste verletzt abreisen: Im Kader der deutschen Handballer fehlt die Kontinuität
Geht das denn schon wieder los? Diese Frage ging vielleicht dem einen oder anderen durch den Kopf, als am Dienstagmorgen öffentlich gemacht wurde, dass sich Nationalspieler Fabian Wiede beim aktuellen Lehrgang der deutschen Handballer in Frankfurt am Main verletzt hat. „Ich hoffe, dass es nichts Schlimmeres ist und dass er nicht zu lange ausfällt”, erklärte Co-Trainer Erik Wudtke nachdem der Füchse-Spieler am Vortag im Training umgeknickt und letztlich für weitere Untersuchungen zurück nach Berlin gereist war. „Das ist natürlich unglücklich. Für uns ist er ein sehr wertvoller Spieler in unserem System.”
Erst wenige Tage zuvor hatte Bundestrainer Alfred Gislason beim furiosen 34:26-Sieg der Berliner gegen Kiel noch betont, welche Bedeutung er dem 28 Jahre alten Rückraumspieler beimisst, der für ihn als zusätzliche Alternative für die Spielmacherposition galt. Doch daraus wird nun einmal mehr nichts.
Einmal mehr, weil Wiede in der Vergangenheit bereits öfter aufgrund von Verletzungen hatte absagen müssen und auch bei der Europameisterschaft im Januar erst nachgereist war, als die DHB-Auswahl wegen zahlreicher Corona-Infektionen stark ausgedünnt wurde. Für die beiden Länderspiele gegen Europameister Schweden am Donnerstag (19 Uhr/Sport1) und Vize-Europameister Spanien am Samstag (20.15 Uhr) im Rahmen des EHF Euro-Cups wurde nun der Flensburger Franz Semper nachnominiert.
Damit ist es aber mit den personellen Veränderungen noch nicht getan. Verzichtet werden muss ebenso auf die langzeitverletzten Rückraumspieler Julius Kühn und Sebastian Heymann sowie Timo Kastening auf Rechtsaußen, während Kreisläufer Jannik Kohlbacher krankheitsbedingt kurzfristig abgesagt hatte. Die angestrebte Kontinuität nach den Querelen der letzten Jahre muss also wieder einmal warten.
„Das ist natürlich ärgerlich. Aber es ist in unserem Sport einfach so – bei dem ganzen Tempo, was wir gehen und bei der ganzen Belastung –, dass da viel passiert”, sagte Kapitän Johannes Golla. „Ich wünsche mir einfach nur, dass wir beim Turnier dann auf alle zugreifen können.” Denn selbst wenn es noch etwas hin ist, der große Fokus ist bereits auf die am 12. Januar in Polen und Schweden beginnende Weltmeisterschaft gerichtet und langfristig auf die Heim-EM 2024.
Deutschland setzt auf einen breiten Kader
In Anbetracht der wenigen Lehrgänge, die bis dahin möglich sind, und auch unter der Annahme, dass weitere Verletzungen nicht hundertprozentig auszuschließen sind, ist es nur verständlich, dass der DHB den Kader deshalb „auf breiten Füßen” aufstellen möchte, wie es Wudtke ausdrückte. Neben der oft kritisch beäugten Mitte-Position gibt es dabei allerdings noch eine weitaus größere Baustelle.
Denn in der Abwehr wird neben Golla nach einem zweiten Innenblockspieler gesucht, wobei auf einen Spezialisten zu Gunsten eines temporeichen Umschaltspiels verzichtet werden soll. Keine leichte Aufgabe, nachdem das Kieler Bollwerk bestehend aus Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler nicht mehr zur Verfügung steht. Trotzdem ist der Kapitän zuversichtlich: „Wie haben hier viele gute Jungs. Man kann sich auf jeden einstellen, das braucht nur etwas Zeit.”
Von daher sei der Lehrgang seiner Meinung nach „ein wichtiger Schritt” – auch im Sinne der Mannschaftsentwicklung. „Wir wollen die Spiele für uns nutzen und mit einem guten Gefühl aus dieser Woche gehen. Und jeder weiß, dass man nicht unbedingt ein gutes Gefühl hat, wenn man verliert”, sagte Golla, der sich jedoch durchaus bewusst ist, dass ein Sieg zum Auftakt gegen die spielfreudigen und individuell bestens ausgebildeten Schweden keine einfache Aufgabe ist. Umso mehr, weil der Spielmacher der „Tre Kronor” und MVP der vorangegangenen Europameisterschaft kein anderer als sein Flensburger Teamkollege Jim Gottfridsson ist.
Doch an solchen hochkarätigen Gegnern kann die Mannschaft eben auch am besten wachsen, sehen, wie das Trainierte unter Druck umgesetzt wird und testen, wie konkurrenzfähig das Team, dass letztmals im April zusammengekommen war, aktuell ist. Gleichzeitig konstatierte Co-Trainer Wudtke aber realistisch: „Wenn wir bei einem Turnier erfolgreich sein wollen, werden wir immer im Bereich Wille, Kampf und Teamgedanke mindestens auf dem Level – wenn nicht sogar besser – als unsere Konkurrenz sein müssen. Sonst gibt es wenige Felder, auf denen wir punkten können.” Insofern bleibt einmal mehr zu hoffen, dass die Mannschaft von weiteren Überraschungen verschont bleibt, damit das bestehende Gefüge nicht noch zusätzlichen Herausforderungen ausgesetzt wird.
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