Gold für „Alcarràs“ und Silber für Meltem Kaptan in Dresens Kurnaz-Film
Die Bären sind vergeben bei den diesjährigen Berliner Filmfestspielen, und sie sind so weiblich wie noch nie. Den Goldenen Bär für den besten Film gewinnt Carla Simón mit ihrem katalonischen Familiendrama “Alcarràs”, das rund um eine Pfirsichplantage spielt. Bei der Gala am Mittwochabend bedankte sich die Filmemacherin bei ihrer Pfirsichbauern-Familie – ohne diese hätte sie den Film nie drehen können.
Auch Deutschland kann sich freuen: Als beste Darstellerin wurde bei der Bären-Verleihung im Berlinale Palast die Comedienne und “Ladies Night”-Moderatorin Meltem Kaptan in ihrer ersten Kinohauptrolle ausgezeichnet. In Andreas Dresens Polit-Tragikomödie “Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush” spielt sie die Mutter von Murat Kurnaz, die fünf Jahre um die Freilassung ihres unschuldig in Guantanamo inhaftierten Sohns kämpfte.
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Jubel im Berlinale-Palast: Kaptan widmete ihren Preis ihrem Vorbild im Film, Rabiye Kurnaz, und “allen Müttern, deren Liebe stärker ist als alle Grenzen”. Und sie bedankte sich bei Andreas Dresen, dass er sie auf diese Reise mitgenommen habe. Der Film nach der wahren Geschichte der Mutter von Murat Kurnaz, die um die Freilassung ihres in Guantanamo inhaftierten Sohns kämpft, wird außerdem mit dem Drehbuchpreis für Laila Stieler ausgezeichnet.
Fast alle Hauptpreise gehen in diesem starken Jahrgang der Frauen an weibliche Filmschaffende: Den Regie-Preis und damit einen Silbernen Bären bekommt die französische Autorenfilmerin Claire Denis, die mit ihrem Liebesdrama “Both Sides of the Blade” am Wettbewerb teilnahm, mit Juliette Binoche in der Hauptrolle.
Bei der Ehrung für die beste Nebenrolle hat sich die siebenköpfige Jury unter M. Night Shyamalan für Laura Basuki im indonesischen Frauendrama “Nana” entschieden. Der Preis der Jury, der seit 2021 den Alfred-Bauer-Preis ersetzt, geht an die mexikanische Filmemacherin Natalia López Gallardo für ihre verstörende Drogenkriegserzählung “Robe of Gems”.
Lediglich eine Auszeichnung hat die Bären-Jury einem Mann zugesprochen: Der Südkoreaner Hong Sangsoo, der 2021 den Drehbuchpreis der Berlinale gewann, erhält diesmal den Großen Preis der Jury für “The Novelist’s Film”, ein feinsinnig-lakonisches Schwarzweiß-Kammerspiel über Zufalls- und Wiederbegegnungen einer Schriftstellerin mit anderen Künstler:innen, auch aus der Filmwelt.
Beim zweiten Wettbewerb Encounters sieht es ähnlich aus. Den Preis für den besten Film gewinnt die Wienerin Ruth Beckermann für ihr Dokumentarexperiment “Mutzenbacher”. Bei ihrer Dankesrede brach die Regisseurin eine Lanze dafür, dass wir in einer enger werdenden Welt nicht aufhören, auf andere zu schauen.
Als bester Regisseur wird der Schweizer Cyril Schäublin für seinen Historienfilm “Unrueh” geehrt, den Spezialpreis der Jury erhält die Exil-Iranerin Mitra Farahani für “À vendredi, Robinson”, ein eigensinniges Doppelporträt der beiden Kinolegenden Jean-Luc Godard und Ebrahim Golestan. Der Preis für den besten Erstlingsfilm, der quer durch die Sektionen vergeben wird, geht ebenfalls an die Regisseurin eines Encounters-Beitrag. Über die Auszeichnung kann sich die 31-jährige Exil-Irakerin Kurdwin Ayub freuen, die in “Sonne” junge muslimische Youtuberinnen in Wien mit der Kamera begleitet.
Den Dokumentarfilmpreis – mit Anwärtern ebenfalls aus allen Sektionen – erhält das anonyme Filmkollektiv des Panorama-Beitrags “Myanmar Diaries”, dem erschütternden Video-Tagebuch von jungen Oppositioneller nach dem Putsch vor einem Jahr.
Bei der Kurzfilm-Sektion “Shorts” gewinnt die Russin Anastasia Veber den Goldenen Bären, einen Silbernen Bären kann Bruno Ribeiro für “Sunday Morning” nach Hause tragen. Die Gläsernen Bären in der Kinder- und Jugendreihe Generation gewinnen Sanna Lenkens “Comedy Queen” (Kplus) und “Alis” von Clare Weiskopf und Nicolás van Hemelryck (14plus).
Die 72. Berlinale, die am 10. Februar eröffnet wurde, hat ihre Preise bereits nach einer Woche vergeben, da der Hauptteil des Festivals pandemiebedingt verkürzt wurde. Bis Sonntag, den 20. Februar, folgen vier Publikumstage mit Wiederholungsvorstellungen aus allen Programmen mit insgesamt 256 Filmen. (Tsp)