Das Leid beider Seiten: Offene Briefe und Erklärungen aus dem deutschen Kulturbetrieb

Nach dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel nimmt der Krieg im Nahen Osten seinen fatalen Lauf. Wenn die Beschreibung dessen, was ihm über den unmittelbaren Anlass hinaus zugrunde liegt, eine einseitige Parteinahme auch verhindert, so kann von einem rein propalästinensischen Schweigen des deutschen Kulturbetriebs doch keine Rede sein.

Auf der Frankfurter Buchmesse organisierte der PEN Berlin eine Diskussion „In Sorge um Israel“, ließ es sich aber auch nicht nehmen, eine Lesung aus Adania Shiblis Roman „Eine Nebensache“ zu veranstalten: Die Verleihung des von der Messe mitvergebenen LiBeraturpreises an die palästinensische Autorin war kurzfristig verschoben worden.

Bemühen um Gerechtigkeit

Am 25. Oktober erklärte sich auch das konkurrierende Darmstädter PEN-Zentrum und fragte, „welche Worte des Friedens und des Trostes wir als Schriftstellerinnen und Schriftsteller überhaupt finden können“. Im Bemühen um Gerechtigkeit für beide Seiten heißt es: „Allen, die sich nicht nur seit Jahrzehnten, sondern auch gerade jetzt in Israel und in der palästinensischen Bevölkerung für ein Miteinander und für Frieden einsetzen, möchten wir die Hand reichen und unsere Unterstützung aussprechen.“

Nun sind gleich zwei Offene Briefe lanciert worden. Der eine ist eine Initiative der Dichter Björn Kuhligk und Marcus Roloff (offener-brief-israel- literaturbetrieb.de) und versucht sich an einer ähnlichen Äquidistanz – mit besonderem Verständnis für Israel.

Humanitäre Hilfe

„Wir haben genug von jedwedem relativistischen Lavieren“, heißt es in dem mittlerweile von rund 400 Stimmen unterzeichneten Schreiben.Wir sehen das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung und fordern humanitäre Hilfe, wenden uns aber dagegen, mit dem Leiden der Menschen im Gaza-Streifen den Terror der Hamas zu relativieren und die Selbstverteidigung Israels zu delegitimieren.“

Der andere, auf Deutsch in der „tageszeitung“ und auf Englisch beim US-Magazin „n+1“ erschienen, versammelt in Deutschland lebende jüdische Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler, unter ihnen Deborah Feldman, Susan Neiman und Peaches. Er wendet sich vorbehaltlos gegen die Gewalt auf beiden Seiten, warnt aber vor der der Repression türkischer und arabischer Gemeinschaften einer „freiwilligen Selbstzensur“ im Kulturbetrieb. Diese habe „ein Klima der Angst, der Wut und des Schweigens geschaffen. All dies geschieht unter dem Vorwand, Juden zu schützen und den Staat Israel zu unterstützen.“ (dotz)