„A Quiet Place: Tag Eins“ im Kino: Bitte Ruhe! Alien-Invasion!
Die Stadt, die niemals schläft, ist eigentlich der perfekte Ort, um sich vor einer außerirdischen Spezies mit einem hochempfindlichen Gehör zu verstecken. Was könnte sicherer sein als ein akustischer Kokon aus Straßenlärm, Polizeisirenen und Millionen von Menschen? 60 Dezibel ist der durchschnittliche Lautstärkepegel in New York City, wird am Anfang von „A Quiet Place: Tag Eins“ erklärt – um dann dramatisch „so laut wie ein anhaltender Schrei“ zu ergänzen. Was zwar stark übertrieben ist, der Pegel ähnelt eher einem Gespräch auf Zimmerlautstärke; aber der Hinweis setzt gleich mal den Ton.
Das Spiel mit Stille und Schreien gehört schließlich zu den liebsten Stilmitteln des Horrorkinos und etablierte John Krasinskis FIlm von 2018 auf Anhieb als modernen Genreklassiker. Die Idee war so einfach wie genial: Eine Familie verschanzt sich in ihrem Landhaus vor blinden, aber höchst geräuschempfindlichen Aliens.
Auf dem Land klingt selbst das Zirpen der Grillen ohrenbetäubend, in der Großstadt verdichtet sich der lärmende Alltag hingegen zu einem urbanen Hintergrundrauschen, in der der Mensch anonym untertauchen kann. Auf diese naheliegende Idee kommt in „A Quiet Place: Tag Eins“ allerdings niemand. In der Stadt, deren Geräuschkulisse, laut Film, einem Heavy-Metal-Konzert gleicht, kann selbst das Öffnen einer Konservendose tödlich sein.
Monster fallen vom Himmel
Krasinski hatte in seinem Sequel von 2021 die Prämisse hinreichend auserzählt: ein nahezu dialogfreies Kammerdrama erst aus der Sicht der Eltern, in der Fortsetzung dann aus der akustischen Perspektive der gehörlosen Tochter. Die uninteressanteste Frage drehte sich in Fanforen dabei immer wieder um die Herkunft der Aliens. „A Quiet Place: Tag Eins“ beantwortet diese nun im Stil eines Sommerblockbusters, der das Original nie sein wollte. Die Invasoren fallen am hellichten Tag über New York schlicht vom Himmel, wie Meteoriten. Die Luftwaffe kreist derweil hilflos über der Stadt und bombardiert die Brücken, um den Landweg von der Insel Manhattan abzuschneiden.
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Eine Stadt im Belagerungszustand. Man kennt dieses generische Endzeitszenario, das dem Original kaum gerecht wird, inzwischen aus zahllosen Filmen und Serien, am überzeugendsten zuletzt in „The Last of Us“. Die Logik von Fortsetzungen verlangt aber die Eskalation, darum weitet sich die Invasion im dritten Film, eigentlich das Prequel, auf den Stadtraum aus.
Die Alien-Apokalypse bekommt so eine globale Dimension, die Angstlust beim Anblick verwüsteter Städte beflügelt fast ein Vierteljahrhundert nach 9/11 wieder die Vorstellungskraft. Es sind ja auch nur Schwärme von schleimigen Aliens, evolutionstechnisch irgendwo zwischen HR Gigers Kreatur und dem Predator, die durch die Häuserschluchten wuseln. Der Flüchtlingsstrom, der sich schweigend durch die Straßen in Richtung rettendes Ufer bewegt, wird zur leichten Beute.
Flucht mit Therapiekatze
Die todkranke Sam (Lupita Nyong’o) gerät bei einem Ausflug ihrer Hospiz-Einrichtung an den Broadway in den Angriff und entwickelt plötzlich wieder einen ungeahnten Überlebenswillen. Im Schlepptau hat sie ihre Therapiekatze Frodo, später auch den britischen Jura-Studenten Eric (Joseph Quinn), der sich einfach nicht abschütteln lässt.
Auf Gesellschaft hat die vom Leben enttäuschte Dichterin nämlich keine Lust, ihre Fluchtroute führt auch nicht zum Hafen, wo das Militär Rettungsboote organisiert hat, sondern weiter nördlich nach Harlem. Und was motiviert eine todkranke Frau dazu, noch ums Überleben zu kämpfen? Sie gibt alles für eine letzte Pizza bei ihrem Lieblingsitaliener.
Doch je mehr Hinterhalte Sam und der reichlich verlorene Englishman in New York überstehen, desto enger wächst ihre Notgemeinschaft zusammen. Er riskiert sein Leben, um ihr Schmerzmittel zu besorgen, sie erzählt ihm von ihrem Vater, einem erfolgreichen Jazz-Pianisten. Nyong’o und Quinn erden das Endzeitszenario in den ruhigeren Momenten in einem menschlichen Drama, während um die Figuren herum der permanente Ausnahmezustand herrscht. In den lauteren wiederum stiftet sie mithilfe dieser in Großstädten so nervigen Autoalarmsirenen Verwirrung unter einem ganzen Rudel von Aliens.
Zwischen geräuschloser Suspense und lauten Actionszenen knüpft „A Quiet Place: Tag Eins“ gelegentlich noch an die Qualitäten des Originals an. In einigen Szenen nimmt sich Regisseur und Autor Michael Sarnoski sogar die Freiheit, innezuhalten und die Action für einen Moment auszusetzen. Aber zwingend ist dieses Prequel nicht, außer durch die Tatsache, dass man der Idee mit dem Laut/Leise immer noch ein paar unterhaltsame Szenarien abgewinnen kann. So wird zum Beispiel die Binsenweisheit, dass, wer im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen werfen soll, um die Erkenntnis bereichert, dass man sich in einem Glashaus auch besser nicht vor geräuschempfindlichen Aliens versteckt.
Heimlicher Held ist in diesem Überlebenskampf übrigens ein Vierbeiner. Mit stoischer Gelassenheit kriecht Frodo immer wieder heroisch unter herabregnenden Trümmern und explodierenden Autowracks hervor, ohne auch nur ein Miauen von sich geben. Ein guter Running Gag, auch wenn sich als bester Therapiepartner für die lebensmüde und kratzbürstige Sam letztlich doch der Mensch erweist. Immerhin eine tröstliche Vorstellung angesichts der Apokalypse: Am Endes ist der Glaube an die Menschheit wieder hergestellt.