Robert Irwins Lichtkunst und Tanz im Kraftwerk
Wiederentdeckungen sind nicht planbar, dennoch finden sie in schöner Regelmäßigkeit statt. Wie jetzt beim Künstler Robert Irwin. In Berlin ist er derzeit mit einer Lichtinstallation im Kraftwerk vertreten, und die Galerie Sprüth Magers zeigt neue Wandarbeiten des 90-Jährigen, der zwar nicht zu den Eröffnungen anreisen konnte, aber alle Arbeiten noch selbst plant.
Robert Irwin gilt in Amerika als prägende Figur der sogenannten „Light-and- Space“-Bewegung, die, unter anderem beeinflusst von der Luft- und Raumfahrttechnik, in den Siebzigern in Südkalifornien ihren Ursprung hatte. Irwin ist in Deutschland nie so bekannt geworden wie in seiner Heimat. Wenn es um Lichtkunst geht, denkt man hier an Otto Piene und die Künstler von Zero.
Eine 16 Meter hohe Wand
In der Industriearchitektur des ehemaligen Heizkraftwerks in der Köpenicker Straße hat Irwin einen kongenialen Ort für seine Lichtkunst gefunden. Er zeigt eine 16 Meter hohe, frei stehende Wand mit geometrisch angeordneten Leuchtstoffröhren, die tatsächlich zur Lichtquelle für die mehrstöckige Turbinenhalle mit ihren Betonwänden, Geländern und Brücken wird.
Auf der Vorderseite sind die Leuchten weiß, auf der Rückseite blau und obwohl man kann sie nie gleichzeitig sehen, trotzdem beeinflussen sie sich gegenseitig. Die große Wand wirkt wie ein Monolith von einem anderen Planeten. Das Auge versucht das Raster der Leuchtröhren zu entschlüsseln, verliert sich nach kurzer Zeit, setzt neu an – und ergibt sich schließlich.
Mehr sehen als die vertraute Ordnung
Der Raum, der vom Licht konturiert wird, die Schatten, all das gehört zum Kunstwerk. In Irwins Philosophie soll seine Kunst den Betrachter dazu befähigen, mehr zu sehen als die bekannte Ordnung, die der Kopf herstellen will. Trotzdem bedarf es keiner Voraussetzungen. „Eine Person, die der Arbeit begegnet, muss nichts über dich oder Kunst wissen“, lautet eines von Irwins Zitaten.
Initiiert wurde die Ausstellung von der Berliner Kunststiftung LAS, die den Dialog zwischen Kunst, neuen Technologien und Wissenschaft anregen will, indem sie Werke beauftragt, die sich an diesen Schnittstellen bewegen. Im Kraftwerk organisiert die Stiftung außerdem drei verschiedene Tanzperformances des gefeierten Choreograf:innen-Duos Sharon Eyal und Gai Behar, die im Lichte von Irwins Installation und zu Techno stattfinden werden (die Vorstellungen an 11./12. Dezember sind ausverkauft, wieder am 6./7. Januar und 13./14./15. Januar).
[Kraftwerk Berlin, Köpenicker Str. 70, bis 30.1., Di 10-20 Uhr, Mi 13-20 Uhr, Do 13-22 Uhr, Fr 13-20 Uhr, Sa/So 11-20 Uhr, Sprüth Magers, Oranienburger Str. 18, bis 26.3., Di-Sa 11-18 Uhr]
In der Galerie Sprüth Magers sind parallel dazu zwei neue Werkkomplexe von Irwin ausgestellt. Die „Unlights“ bestehen aus zu Bildern gruppierten Leuchtstoffröhren, die mit farbigen, metallischen Folien ummantelt sind, die aber kein Licht ausstrahlen. Wie ein Maler ordnet Irwin die Farben nebeneinander an, was zu verblüffenden Effekten führt. Es entsteht das Gefühl, nichts fokussieren zu können. Statt eines Musters ergibt sich ein Gesamteindruck – ganz ähnlich wie bei der Arbeit im Kraftwerk. Ein schönes Duo.