Rolando Villazon in Berlin: Das Wolferl und die Liebe
Wie kaum eine andere, führt die Gattung der „Divertimenti“ ein Schattendasein in Konzertprogrammen. Vielleicht, weil sie die Schnittstelle zwischen intimen Streichquartetten und symphonischen Werken bilden, also zwischen fein austarierten kontrapunktischen Geweben und groß angelegten orchestralen Wirkungen.
Der Musikwissenschaftler Alfred Einstein etablierte die These, dass Mozarts Divertimenti von 1772, auf der letzten Italienreise entstanden, als Symphonie-Vorlagen dienen sollten, die bei Bedarf schnell orchestriert werden konnten. Divertimenti und Serenaden waren ursprünglich Unterhaltungsmusik, wurden oft als Abendmusik und unter freiem Himmel gespielt. Dem aufmerksamen Hörer wird allerdings schnell klar, dass die vordergründige Leichtigkeit nur eine Facette der ausdrucksvollen Mozart’schen Charakterstücke ist.
Hochkarätige Kammermusik
Die Musiker:innen der Camerata Salzburg um Gregory Ahss spielen in solistischer Kammerbesetzung und lassen ebendieses Prisma an Gestalten und Stimmungen lebendig werden. Da gibt es schäumendes Passagenwerk und affirmative Lebensfreude, einen an Rockmusik gemahnenden „Drive“ in den Achtelketten der Bässe, aber auch Seufzer, klagende Kantilenen und natürlich: viel Witz. Das Ensemble musiziert symbiotisch und lässt den Abend zu einer Sternstunde der Kammermusik werden.
Als Wolfgang Amadeus „ich liebe dich“ Mozart bezeichnet Rolando Villazón seinen erklärten Lieblingskomponisten. Und tatsächlich wirkt es, als wäre der Tenor der geborene Mozartsänger. Ein Interpret, dem es gelingt, Gesang und gestische Darstellung nahtlos miteinander zu verschmelzen.
Wie selbstverständlich versetzt Villazon sich und uns in die Figuren der Arien – zischt, spritzt, klagt leidenschaftlich, betört, schmachtet sehnsuchtsvoll oder bestürmt in wilder Leidenschaft. Auch das riskante Fahrwasser virtuoser Verzierungen durchschifft er souverän und macht ein beachtliches Spektrum seiner Klangfarben im Saal erlebbar. Villazóns subtiler Sinn für Mozart‘schen Spaß wird in den zwei zugegebenen Arien noch gewinnender.
„Con ossequio, con rispetto“ – mit Hochachtung und Respekt – ist eine übertriebene Verbeugung vor einer höhergestellten Person, der „niemand auf Erden gleicht“. An das Publikum gewandt fügt der Sänger, der seit 2019 Intendant der Salzburger Mozartwoche ist, zynisch hinzu: „in Bezug auf Hochmut, Ignoranz und Sodomie“.
In „Clarice cara mia sposa“ wirbt ein Herr eindringlich um die Hand seiner Angebeteten. Fast überschlagend, in einem an Rapmusik erinnernden Tempo, ergeht er sich in Lobpreisungen seiner selbst – um dann – erfolglos – das allerletzte Register zu ziehen: Bestechungsgeld. Der Abend gelingt als spritzige Eröffnung des Mini-Mozart-Festivals im Boulez Saal, das noch bis zum 11. Dezember läuft. Er macht Lust auf mehr Mozart – und wird vom Publikum mit „Standing Ovations“ gefeiert.
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